Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
»Zusammengehens« werden gleichzeitig auch Gene für die Bevorzugung langer Schwänze ausgewählt. Das bedeutet, daß Gene, die Weibchen zur Auswahl männlicher Schwänze einer besonderen Länge veranlassen, tatsächlich nichts anderes tun als Kopien ihrer selbst auswählen. Das ist die grundlegende Zutat für einen sich selbst verstärkenden Vorgang: er besitzt seine eigene, sich selbst aufrechterhaltende bewegende Kraft. Wenn die Evolution eine bestimmte Richtung eingeschlagen hat, so kann schon darin allein ein Grund liegen, daß sie in derselben Richtung beharrt.
Man kann dies auch auf eine andere Weise sehen, und zwar im Sinne des sogenannten Grüne-Bart-Effekts. Der GrüneBart-Effekt ist ein akademischer Spaß der Biologen. Er ist rein hypothetisch, aber nichtsdestoweniger aufschlußreich. Ursprünglich wurde er zur Erklärung des Grundprinzips vorgeschlagen, das W. D. Hamiltons wichtiger Theorie der Verwandtschaftsselektion zugrunde liegt und das ich in Das egoistische Gen ausführlich erörtert habe. Hamilton, heute mein Kollege in Oxford, zeigt, daß die natürliche Auslese Gene begünstigt, die sich gegenüber engen Verwandten altruistisch verhalten, und zwar einfach deshalb, weil sich in den Körpern der Verwandten mit großer Wahrscheinlichkeit Kopien derselben Gene befinden werden. Die »Grüne-Bart«-Hypothese erklärt dasselbe allgemeiner, wenn auch weniger praktisch. Verwandtschaft, so die Beweisführung, ist nur eine der Möglichkeiten, wie Gene in der Praxis Kopien ihrer selbst in anderen Körpern entdecken können. Theoretisch könnte ein Gen Kopien seiner selbst direkter lokalisieren. Nehmen wir an, es entstünde zufällig ein Gen, das folgende zwei Effekte hätte (Gene mit zwei oder mehr Effekten sind weit verbreitet): es verleiht seinen Besitzern ein auffälliges Kennzeichen, etwa einen grünen Bart, und es beeinflußt außerdem ihr Gehirn, sich grünbärtigen Individuen gegenüber altruistisch zu verhalten. Zugegeben, eine ganz schön unwahrscheinliche Koinzidenz, wenn sie jedoch einträte, wären die evolutionären Konsequenzen klar. Das Grüne-Bart-Altruismus-Gen würde von der natürlichen Auslese begünstigt, und zwar aus genau denselben Gründen, aus denen Gene für den Altruismus gegenüber Nachkommen oder Brüdern gefördert werden. Jedesmal, wenn ein grünbärtiges Individuum einem anderen hülfe, würde das Gen für diesen gezielten Altruismus eine Kopie seiner selbst fördern. Die Verbreitung des Grüne-Bart-Gens wäre automatisch und unvermeidlich.
Niemand - noch nicht einmal ich - glaubt wirklich, daß der Grüne-Bart-Effekt in dieser ultrasimplen Form jemals in der Natur vorkommen wird. In der Natur diskriminieren Gene zugunsten Kopien ihrer selbst mittels weniger spezifischer, aber glaubwürdigerer Etiketten, als es grüne Bärte sind. Verwandtschaft ist ein solches Etikett. »Brüder« oder in der Praxis etwas wie: »Wer im selben Nest aufgewachsen ist, aus dem ich gerade entflogen bin« ist ein statistisches Etikett. Jedes Gen, das Individuen dazu veranlaßt, sich gegenüber dem Träger eines solchen Etiketts altruistisch zu verhalten, hat eine gute Chance, Kopien seiner selbst weiterzuhelfen: denn unter Brüdern besteht eine gute statistische Chance, daß sie Gene gemeinsam haben. Mit Hamiltons Theorie der Verwandtschaftsselektion können wir einen Effekt vom Typ »grüner Bart« glaubhaft machen. Erinnern wir uns nebenbei daran, daß hier in keiner Weise der Gedanke nahegelegt wird, Gene »wollten« Kopien von sich selbst helfen. Es ist einfach so, daß jedes Gen, das zufällig den Effekt hat, Kopien seiner selbst zu helfen, wohl oder übel in der Population zahlreicher werden wird.
Wir können Verwandtschaft also als eine Art und Weise betrachten, um so etwas wie den Grüne-Bart-Effekt plausibel zu machen. Auch die Fishersche Theorie der sexuellen Auslese kann man als noch eine weitere Weise erklären, den Grüne - Bart-Effekt glaubwürdig zu machen. Wenn die Weibchen einer Population starke Präferenzen für männliche Merkmale haben, so folgt daraus aufgrund der schon bekannten Beweisführung, daß jeder männliche Körper dazu neigen wird, Kopien der Gene zu haben, auf Grund deren die Weibchen seine eigenen Merkmale bevorzugen. Wenn ein Männchen einen langen Schwanz von seinem Vater geerbt hat, so ist es wahrscheinlich, daß es von seiner Mutter auch die Gene geerbt hat, die sie den langen Schwanz seines Vaters wählen ließen. Wenn es einen kurzen Schwanz hat, so
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