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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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der Gene des Organismus. Es ist unnötig anzunehmen, daß das Design eines Körpers oder Organs das beste ist, was ein Ingenieur sich vorstellen könnte. Häufig wird das Beste des einen Ingenieurs von dem Besten eines anderen Ingenieurs übertroffen, besonders wenn der zweite in der Geschichte der Technologie später lebt. Aber jeder Ingenieur kann erkennen, wenn etwas zu einem Zweck entworfen wurde, selbst wenn es schlecht entworfen ist, und er kann gewöhnlich den Zweck herausfinden, wenn er sich die Struktur des Objekts ansieht. In Kapitel 1 haben wir uns hauptsächlich mit philosophischen Aspekten befaßt. In diesem Kapitel will ich nun ein spezielles Beispiel näher beleuchten, von dem ich glaube, daß es jeden Ingenieur beeindrucken würde, nämlich das Sonarsystem (»Radar«) bei Fledermäusen. Zur Erklärung jedes einzelnen Punktes werde ich zunächst ein Problem anführen, dem sich der Organismus als Lebensmaschine gegenüber sieht; dann werde ich mögliche Lösungen erörtern, die ein vernünftiger Ingenieur in Betracht ziehen würde; und schließlich werde ich die Lösung nennen, die die Natur tatsächlich angewandt hat. Dieses Beispiel dient natürlich nur der Illustration. Wenn ein Ingenieur sich von Fledermäusen beeindrucken läßt, so wird er auch von den unzähligen anderen Beispielen lebender Zweckmäßigkeit beeindruckt sein.
    Fledermäuse haben ein Problem: sich im Dunklen zurechtzufinden. Sie jagen nachts und haben kein Licht, um ihre Beute zu finden und Hindernissen auszuweichen. Man könnte einwenden, daß sie sich dieses Problem selbst zuzuschreiben haben und es vermeiden könnten, wenn sie ihre Gewohnheiten änderten und tagsüber jagten. Aber das Tagesangebot wird bereits großteils von anderen Geschöpfen, etwa den Vögeln, ausgebeutet. Da nun einmal nachts der Unterhalt verdient werden kann und die alternativen Möglichkeiten bei Tag weitgehend ausgeschöpft sind, hat die natürliche Auslese Fledermäuse begünstigt, die als Nachtjäger erfolgreich sind. Nebenbei gesagt reichen die Nachtberufe wahrscheinlich weit in die Vergangenheit bis zu entfernten Vorfahren von uns Säugetieren zurück. Zu der Zeit, als die Dinosaurier das Tagesgeschäft beherrschten, gelang es unseren Säugetiervorfahren wahrscheinlich überhaupt nur deshalb, zu überleben, weil sie Möglichkeiten fanden, sich nachts ihren Lebensunterhalt zusammenzukratzen. Erst nach dem mysteriösen Massensterben der Dinosaurier vor ungefähr 65 Millionen Jahren war es unseren Vorfahren möglich, in größerer Zahl ans Tageslicht zu kommen.
    Kehren wir zu den Fledermäusen zurück. Sie haben ein technisches Problem: Wie sollen sie sich ohne Licht zurechtfinden, und wie sollen sie in der Dunkelheit ihre Beute finden? Fledermäuse sind nicht die einzigen Geschöpfe, die sich heute dieser Schwierigkeit gegenübersehen. Es ist klar, daß die bei Nacht umherfliegenden Insekten, die ihre Beute sind, ebenfalls irgendwie ihren Weg finden müssen. Tiefseefische und Wale verfügen tags wie nachts über wenig oder gar kein Licht, denn die Sonnenstrahlen dringen nicht tief unter die Wasseroberfläche. Fische und Delphine, die in außerordentlich trübem Wasser leben, können nichts sehen, denn es ist zwar Licht da, aber es wird vom Schmutz im Wasser gehindert und zerstreut. Eine Fülle anderer Tiere verdient sich ihren Unterhalt unter Bedingungen, in denen Sehen schwierig oder unmöglich ist.
    Welche Lösungen würde ein Ingenieur in Betracht ziehen, wenn man ihm die Frage stellte, wie im Dunkeln zu manövrieren sei? Als erste Lösung würde ihm vielleicht einfallen, daß man Licht erzeugen, eine Laterne oder einen Scheinwerfer benutzen könne. Tatsächlich sind Leuchtkäfer und einige Fische (gewöhnlich mit Hilfe von Bakterien) in der Lage, ihr eigenes Licht zu erzeugen, aber das Verfahren scheint eine enorme Menge an Energie zu verbrauchen. Leuchtkäfer benutzen eigenes Licht, um Paarungspartner anzulocken. Das erfordert nicht unerschwinglich viel Energie: Das Weibchen kann den winzigen Lichtpunkt eines Männchens in dunkler Nacht in einiger Entfernung entdecken, da ihre Augen unmittelbar auf die Lichtquelle eingestellt sind. Ein Licht zu benutzen, um sich selbst zurechtzufinden, erfordert hingegen weitaus mehr Energie, da die Augen den winzigen Bruchteil an Licht entdecken müssen, der von der Umgebung reflektiert wird. Wenn die Lichtquelle als Scheinwerfer genutzt werden soll, um den Weg zu erleuchten, muß sie daher unendlich viel heller

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