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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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nichtsdestoweniger braucht jeder, der der bloßen Möglichkeit eines Übergangs von einer einzelnen Zelle zum Menschen skeptisch gegenübersteht, lediglich an seine eigenen Anfänge als Fötus zu denken, um seine Zweifel zerstreut zu sehen. Ich hoffe, man hält mich nicht für pedantisch, wenn ich nebenbei betone, daß ich bei der Wahl der Amöbe als unseres Ehren-Vorfahren einfach einer launischen Tradition gefolgt bin. Ein Bakterium wäre eine bessere Wahl gewesen, aber selbst die bekannten Bakterien sind rezente Organismen.
    Fassen wir das Argument zusammen: Darwin legte großes Gewicht auf das schrittweise Fortschreiten der Evolution, weil er gegen die falschen Vorstellungen über Evolution des 19. Jahrhunderts war. Im Kontext jener Zeit bedeutete »graduell« soviel wie »im Gegensatz zu Saltation«. Eldredge und Gould verwenden das Wort »graduell« im Kontext des 20. Jahrhunderts in einem völlig anderen Sinne. De facto, wenn auch nicht explizit, benutzen sie es in der Bedeutung »mit konstanter Geschwindigkeit« und stellen dem ihre eigene Vorstellung von »Intervallen« entgegen. Ihre Kritik richtet sich gegen den Kontinuismus im Sinn der »Beibehaltung konstanter Geschwindigkeit«. Kein Zweifel, daß sie damit recht haben: in extremer Form ist er so absurd wie meine Exodusparabel.
    Aber diese gerechtfertigte Kritik mit einer Kritik an Darwin zu verbinden heißt einfach, zwei völlig verschiedene Bedeutungen des Wortes »graduell« miteinander zu verwechseln. In dem Sinne, in dem Eldredge und Gould den Kontinuismus ablehnen, wäre Darwin zweifellos - es gibt überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln - ihrer Meinung gewesen. In dem Sinne des Wortes, in dem Darwin ein leidenschaftlicher Kontinuist war, sind Eldredge und Gould ebenfalls Kontinuisten. Die Theorie der unterbrochenen Gleichgewichte ist eine etwas genauere Erklärung zum Darwinismus, die Darwin selbst recht wahrscheinlich gebilligt hätte, wäre die Frage zu seiner Zeit erörtert worden. Als kleine Anmerkung verdient sie kein besonders großes Maß an Publizität. Der Grund, weshalb sie dennoch eine derartige Publizität erhalten hat und weshalb ich mich gezwungen gesehen habe, ihr ein ganzes Kapitel dieses Buches zu widmen, ist einfach, daß diese Theorie von einigen Journalisten über Wert verkauft worden ist - als sei sie den Ansichten Darwins und seiner Nachfolger radikal entgegengesetzt. Warum aber war das so?
    Es gibt Leute auf der Welt, die verzweifelt hoffen, nicht an den Darwinismus glauben zu müssen. Man kann sie, meine ich, in drei Hauptklassen einteilen. Erstens sind da jene, die aus religiösen Gründen wollen, daß der Evolutionsgedanke als solcher falsch ist. Zweitens gibt es jene, die keinen Grund haben, zu leugnen, daß Evolution stattgefunden hat, die aber, häufig aus politischen oder ideologischen Gründen, Darwins Theorie ihres Mechanismus wegen abstoßend finden.
    Von diesen finden einige den Gedanken der natürlichen Auslese unannehmbar hart und erbarmungslos; andere verwechseln natürliche Auslese mit Willkür und somit »Sinnlosigkeit«, was ihre Würde beleidigt; wieder andere verwechseln Darwinismus mit Sozialdarwinismus, der rassistische und andere unangenehme Obertöne hat. Drittens gibt es Leute, unter ihnen viele, die in den sogenannten Medien arbeiten, die es einfach gern haben, wenn Denkmäler umgeworfen werden, vielleicht weil das guten journalistischen Stoff abgibt; und der Darwinismus ist inzwischen ausreichend etabliert und respektiert, um zu einem solchen Denkmalssturz zu reizen.
    Was auch immer das Motiv sein mag: Wenn heute ein angesehener Wissenschaftler auch nur die leiseste Andeutung einer Kritik an irgendeinem Detail der gegenwärtigen Darwinschen Theorie flüstert, wird die Tatsache sofort eifrig aufgegriffen und über alle normalen Proportionen hinaus aufgeblasen. So groß ist dieser Eifer, als ob ein mächtiger Verstärker mit einem feineingestellten Mikrophon existierte, das sich selektiv nach allem umhört, was sich auch nur im geringsten nach Opposition zum Darwinismus anhört. Das ist höchst bedauerlich, denn seriöse Diskussion und Kritik sind ein lebenswichtiger Teil jeder Wissenschaft, und es wäre tragisch, wenn die Wissenschaftler wegen der Mikrophone den Mund hielten. Es erübrigt sich hinzuzufügen, daß der Verstärker zwar stark, doch nicht wiedergabegetreu ist: er produziert eine Menge Verzerrungen! Ein Wissenschaftler, der vorsichtig einige leichte Zweifel an einer gegenwärtigen

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