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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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versagen. Die genetischen Mechanismen ihrer Art sollten ihre antievolutionären Kräfte mobilisieren und den Druck zugunsten der Veränderung bekämpfen. Wenn wir versuchen, Hühner zu züchten, die mehr und schneller Eier legen, sollten wir keinen Erfolg haben. Wenn Stierkämpfer für ihren verdammungswürdigen »Sport« den Mut ihrer Stiere durch selektive Züchtung zu erhöhen versuchen, sollten sie versagen. Natürlich sollte dieses Versagen nur vorübergehend sein.
    Schließlich werden, wie ein unter Druck berstender Damm, die angeblichen Antievolutionskräfte bezwungen werden, und die Abstammungslinie kann sich dann rasch in einem neuen Gleichgewicht finden. Aber wir sollten zumindest auf einigen Widerstand treffen, wenn wir ein neues Programm selektiver Züchtung in Angriff nehmen.
    Tatsache ist natürlich, daß wir nicht versagen, wenn wir die Evolution durch selektive Züchtung von Tieren und Pflanzen in Gefangenschaft zu gestalten versuchen, ebensowenig haben wir eine Periode anfänglicher Schwierigkeiten zu überwinden. Tier- und Pflanzenarten sind gewöhnlich sofort der selektiven Züchtung zugänglich, und die Züchter entdecken keine Beweise für irgendwelche eingebauten Antievolutionskräfte. Wenn überhaupt, so stoßen selektive Züchter nach einer Reihe von Generationen erfolgreicher selektiver Züchtung auf Schwierigkeiten - weil nach einigen Generationen der selektiven Züchtung die zur Verfügung stehende genetische Variation ausgeht und wir auf neue Mutationen warten müssen. Es ist denkbar, daß die Quastenflosser aufgehört haben zu evoluieren, weil sie aufgehört haben zu mutieren - vielleicht weil sie auf dem Meeresgrund vor kosmischen Strahlen geschützt waren! -, aber soviel ich weiß, hat das niemand je ernsthaft behauptet, und wie dem auch sei, das ist es nicht, was Intervallisten meinen, wenn sie davon sprechen, daß Arten einen eingebauten Widerstand gegen evolutionären Wandel besitzen.
    Sie meinen etwas, das sich mehr wie das Argument in Kapitel 7 über »kooperierende« Gene anhört: die Idee, daß Gruppen von Genen so gut aneinander angepaßt sind, daß sie sich der Invasion neuer mutanter Gene widersetzen, die keine Angehörigen des Clubs sind. Diese Idee ist recht verwickelt, aber sie läßt sich glaubhaft darstellen. In der Tat war sie einer der theoretischen Stützpunkte von Mayrs bereits erwähnter Trägheitsidee. Nichtsdestoweniger bringt mich die Tatsache, daß wir bei selektiver Züchtung auf keinen anfänglichen Widerstand stoßen, auf den Gedanken, daß, wenn Stammbäume viele Generationen in der freien Natur keine Veränderungen aufweisen, der Grund nicht im Widerstand gegen Wandel liegt, sondern im Mangel an natürlichem Selektionsdruck. Sie verändern sich nicht, weil Individuen, die gleich bleiben, besser überleben als Individuen, die sich verändern.
    Intervallisten sind also in Wirklichkeit genau dieselben Kontinuisten wie Darwin oder jeder andere Darwinist; sie fügen lediglich lange Zeitspannen der Ruhe zwischen Spurts gradueller Evolution ein. Der einzige Aspekt, in dem sich die Intervallisten von anderen Schulen des Darwinismus unterscheiden, liegt in der starken Betonung der Stase als eines positiven Elements: als eines aktiven Widerstandes gegen evolutiven Wandel anstelle des Fehlens evolutiver Veränderung. Und das ist der einzige Aspekt, bei dem sie sehr wahrscheinlich unrecht haben. Es bleibt mir noch das Rätsel zu klären, warum sie meinten, sie wären so weit von Darwin und den Neodarwinisten entfernt.
    Die Antwort ist: Sie bringen zwei Bedeutungen des Wortes »graduell« durcheinander und verwechseln zudem Intervallismus und Saltationismus, was ich hier mit allen Kräften erklärt habe, weil es bei vielen Leuten im Hinterkopf herumspukt. Darwin war ein leidenschaftlicher Antisaltationist, was ihn dazu veranlaßte, immer wieder die außerordentliche Allmählichkeit der behaupteten evolutionären Veränderungen zu betonen. Saltation bedeutete für ihn, was ich Boeing-747- Makromutation genannt habe - die plötzliche Entstehung, wie Pallas Athene aus dem Kopf von Zeus, von brandneuen komplexen Organen mit einem einzigen Schlag des genetischen Zauberstabs. Es bedeutete, daß voll ausgebildete, komplexe, funktionierende Augen in einer einzigen Generation aus blanker Haut entstehen. Das verstand Darwin unter Saltation, und zwar deshalb, weil einige seiner einflußreichsten Gegner genau dasselbe darunter verstanden und tatsächlich daran glaubten, daß sie ein

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