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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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mußte. Der Interviewer fragte ihn sanft, wie die Bücher denn seiner Meinung nach angeordnet werden müssen. »Größte Bücher links, kleinste rechts!« polterte er, ohne zu zögern. Volkstümliche Buchläden ordnen ihre Bücher in Hauptabteilungen ein, die den Erfordernissen ihrer Kunden entsprechen. Statt Naturwissenschaft, Geschichte, Literatur, Geographie und so weiter sind ihre wichtigsten Abteilungen Garten, Kochen, Lebenshilfe, Esoterik, und einmal sah ich ein Regal mit der ins Auge fallenden Beschriftung »RELIGION UND UFOs«.
    Es gibt also keine richtige Lösung für das Problem der Klassifizierung von Büchern. Bibliothekare sind deutlich verschiedener Meinung über die Klassifizierungspolitik, aber die Kriterien, nach denen Diskussionen gewonnen oder verloren werden, umfassen nicht die »Wahrheit« oder »Richtigkeit« eines Klassifikationssystems im Vergleich zu anderen. Statt dessen sind die Kriterien, die in der Diskussion gegeneinanderstehen, »Bequemlichkeit für Bibliotheksbenutzer«, »Geschwindigkeit im Auffinden von Büchern« usw. In diesem Sinne kann man sagen, daß die Taxonomie von Büchern in einer Bibliothek willkürlich ist. Das heißt nicht, es sei nicht wichtig, ein gutes Klassifikationssystem zu erstellen, weit gefehlt. Was es wirklich bedeutet, ist, daß es kein einzelnes Klassifikationssystem gibt, das in einer Welt der vollständigen Information allgemein als das einzige korrekte System anerkannt wird. Die Taxonomie lebendiger Geschöpfe andererseits besitzt, wie wir sehen werden, dieses hervorstechende Merkmal, das der Taxonomie der Bücher fehlt; zumindest, wenn wir einen evolutionistischen Standpunkt vertreten.
    Natürlich ist es möglich, beliebige Systeme zur Klassifikation lebender Geschöpfe zu erfinden, aber ich werde zeigen, daß alle diese Systeme, mit Ausnahme eines einzigen, ebenso willkürlich sind wie jede Taxonomie der Bibliothek. Wenn einfach nur Bequemlichkeit gewünscht wird, so könnte ein Museumskustos seine Exemplare nach Größe und Aufbewahrungsbedingungen einteilen: große ausgestopfte Exemplare, kleine getrocknete Exemplare, die auf Korkplatten in Kästen aufgespießt sind, in Flaschen konservierte Exemplare, mikroskopische Exemplare auf Objektträgern usw. Solche Gruppierungen nach Bequemlichkeit sind in zoologischen Gärten üblich. Im Londoner Zoo sind Nashörner im »Elefantenhaus« untergebracht, und zwar nur, weil sie dieselbe Sorte kräftig verstärkter Käfige brauchen wie Elefanten. Ein auf die Praxis ausgerichteter Biologe könnte Tiere in schädliche (unterteilt in medizinische Schädlinge, landwirtschaftliche Schädlinge und unmittelbar gefährliche Beißer und Stecher), nützliche (auf ähnliche Weise unterteilt) und neutrale Tiere aufteilen. Ein Ernährungswissenschaftler könnte Tiere nach dem Nährwert ihres Fleisches für den Menschen unterteilen, wieder mit einer ausgeklügelten Unterteilung in Kategorien. Meine Großmutter bestickte einmal ein Stoffbuch über Tiere für Kinder, das die Tiere nach ihren Füßen einteilte. Die Anthropologen haben zahlreiche ausgeklügelte Systeme der Tiertaxonomie dokumentarisch belegt, die von Völkerstämmen irgendwo auf der Welt benutzt werden.
    Aber unter all den Klassifikationssystemen, die man sich ausdenken kann, gibt es eins, das einzigartig ist, einzigartig in dem Sinne, daß man, vorausgesetzt die Information ist vollständig, in völliger gegenseitiger Übereinstimmung Wörter wie »korrekt« oder »inkorrekt«, »wahr« und »falsch« darauf anwenden kann. Dieses einzigartige System ist das System, das auf evolutionären Verwandtschaften aufbaut. Um Verwechslungen zu vermeiden, werde ich diesem System den Namen geben, den die Biologen seiner strengsten Form geben: kladistische Taxonomie. In der kladistischen Taxonomie ist das letzte Kriterium für die Gruppierung von Organismen der Grad der Verwandtschaft oder, mit anderen Worten, die relative Nähe gemeinsamer Vorfahren. Vögel etwa werden von Nichtvögeln dadurch unterschieden, daß sie alle von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, der kein Vorfahr eines Nichtvogels ist. Säugetiere stammen alle von einem gemeinsamen Vorfahren ab, der kein Vorfahr irgendeines Nichtsäugetiers ist. Vögel und Säugetiere haben einen weiter zurückliegenden gemeinsamen Vorfahren, zusammen mit einer Menge anderer Tiere wie Schlangen, Eidechsen und Tuataras. Die Tiere, die von diesem gemeinsamen Vorfahren abstammen, heißen alle Amnioten. Somit sind Vögel und

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