Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
wichtiger Faktor in der Evolution sei.
Der Herzog von Argyll etwa akzeptierte die Beweise, daß Evolution stattgefunden hatte, aber er wollte die göttliche Schöpfung durch die Hintertür einschmuggeln. Er stand nicht allein da. Statt einer einzigen Schöpfung, ein für allemal im Garten Eden, glaubten viele Leute im viktorianischen England, die Gottheit habe wiederholt an entscheidenden Punkten der Evolution eingegriffen. Von komplexen Organen wie Augen dachte man, sie seien in einem einzigen Augenblick entstanden, statt sich von einfacheren Organen schrittweise zu entwickeln, wie es Darwins Theorie war. Diese Leute begriffen, daß eine solche augenblickliche »Evolution«, wenn sie tatsächlich stattfand, das Eingreifen übernatürlicher Kräfte beweisen würde: und das war es, woran sie glaubten. Die Gründe sind die statistischen, die ich in Verbindung mit Wirbelstürmen und der Boeing 747 erörtert habe. Ein Saltationismus von der Boeing-747-Art ist in der Tat nichts anderes als eine verwässerte Form des Schöpfungsglaubens. Oder sagen wir es andersherum, göttliche Schöpfung ist das Maximum des Saltationismus. Sie ist der größtmögliche Sprung von unbelebtem Lehm zum völlig ausgestalteten Menschen. Darwin begriff das ebenso. In einem Brief an Sir Charles Lyell, den führenden Geologen seiner Zeit, schrieb er:
»Wenn ich überzeugt wäre, daß ich solche Hinzufügungen zur Theorie der natürlichen Auslese brauchte, würde ich sie als Unfug ablehnen ... Ich würde nichts für die Theorie der natürlichen Auslese geben, wenn sie in irgendeiner Phase der Abstammung wunderartiger Hinzufügungen bedürfte.«
Das ist keine Kleinigkeit. Für Darwin lag der ganze Sinn der Theorie der Evolution durch natürliche Auslese darin, daß sie eine nicht übernatürliche Erklärung der Existenz komplexer Anpassungen lieferte. Was es auch wert sein mag - es ist ebenso der ganze Sinn dieses Buches. Für Darwin war jede Evolution, die sich von Gott auf die Sprünge helfen lassen mußte, überhaupt keine Evolution. Es verkehrte den zentralen Punkt der Evolution in Unsinn. Im Lichte dieser Feststellung ist leicht zu erkennen, warum Darwin beständig die Allmählichkeit der Evolution wiederholte. Es ist leicht zu erkennen, warum er jenen in Kapitel 4 zitierten Satz schrieb:
»Wenn gezeigt werden könnte, daß irgendein komplexes Organ existierte, das unmöglich aus unzähligen aufeinanderfolgenden geringfügigen Modifikationen gebildet worden sein könnte, so würde meine ganze Theorie restlos zusammenbrechen.«
Man kann die grundlegende Bedeutung der graduellen Evolution für Darwin auch noch auf eine andere Weise ansehen. Seinen Zeitgenossen fiel es ebenso schwer wie vielen Menschen heute, zu glauben, der menschliche Körper und andere solche komplexe Gebilde könnten durch Evolution entstanden sein. Wenn man sich die einzellige Amöbe als unseren entfernten Vorfahren vorstellt - wie es bis vor noch recht kurzer Zeit Mode war -, so war es für viele Menschen schwer, die Kluft zwischen Amöben und Menschen zu überbrücken. Sie fanden es undenkbar, daß etwas so Komplexes aus solch einfachen Anfängen entstehen konnte. Darwin zog den Gedanken einer graduellen Serie kleiner Schritte als Mittel heran, diese Art von Ungläubigkeit zu überwinden. Die Beweisführung geht folgendermaßen: Du findest es schwer zu glauben, daß eine Amöbe zu einem Menschen wird; aber es fällt dir nicht schwer, dir vorzustellen, daß eine Amöbe zu einer geringfügig anderen Art von Amöbe wird. Von dort ist es nicht schwer sich vorzustellen, daß sie zu einer anderen Art einer geringfügig verschiedenen Art von ... wird, und so weiter. Wie wir in Kapitel 3 gesehen haben, überwindet diese Beweisführung unsere Ungläubigkeit nur, wenn wir hervorheben, daß es auf diesem Weg eine ungeheuer große Zahl von Schritten gegeben hat, und auch nur, wenn jeder Schritt sehr winzig ist. Darwin kämpfte ständig gegen diese Quelle der Ungläubigkeit, und er bediente sich ständig derselben Waffe: der Hervorhebung allmählicher, schrittweiser, fast nicht wahrnehmbarer, über unzählige Generationen verteilter Veränderung.
Übrigens lohnt es sich, einen Nebengedanken von J. B. S. Haidane als Argument gegen dieselbe Ungläubigkeit zu zitieren. Etwas wie der Übergang von der Amöbe zum Menschen, so hob er hervor, geht in bloß neun Monaten im Schoß jeder
Mutter vor sich. Wachstum ist zwar, zugegeben, ein völlig anderer Prozeß als Evolution, aber
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