Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Die wirklichen Schauspieler in seinem Drama werden individuelle Organismen in sich verschiebenden Populationen sein. In seinem Buch werden es einzelne Tiere sein, die abstammenden individuellen Tieren Platz machen, nicht Arten, die neuen Arten Raum geben. So ist es nicht überraschend, daß die Intervallisten dazu neigen, an so etwas wie natürliche Auslese auf dem Artenniveau zu glauben, vergleichbar der Darwinschen Auslese auf dem gewöhnlichen Niveau des Individuums. Nichtintervallisten dagegen sehen wahrscheinlich die natürliche Auslese als etwas an, das auf keinem höheren Niveau als dem des einzelnen Organismus wirkt. Die Idee der »Artauslese« hat wenig Reiz für sie, denn für sie sind die Arten keine Einheiten mit getrennter Existenz in der geologischen Zeit.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, uns mit der These der Artselektion zu befassen, die in gewissem Sinne aus dem vorangegangenen Kapitel noch aussteht. Ich werde nicht sehr viel Zeit darauf verwenden, da ich meine Zweifel an ihrer angeblichen Bedeutung in der Evolution in meinem Buch The Extended Phenotype deutlich dargestellt habe. Es trifft zu, daß die große Mehrheit der jemals lebenden Arten ausgestorben ist. Es ist auch richtig, daß neue Arten entstehen mit einer Rate, die zumindest die Aussterberate kompensiert, so daß eine Art »Speziespool« existiert, dessen Zusammensetzung sich ständig ändert. Die nichtzufällige Rekrutierung von Arten für den Artenpool wie auch das nichtzufällige Verschwinden von Arten aus ihm könnten, das ist richtig, theoretisch eine Art natürlicher Auslese auf höherer Ebene darstellen. Es ist möglich, daß gewisse Merkmale einer Art ihre Wahrscheinlichkeit, auszusterben oder neue Arten hervorzubringen, beeinflussen. Die Arten auf der Welt werden gewöhnlich das besitzen, was nötig ist, um zuallererst einmal zu entstehen - »Speziation« durchzumachen -, und auch, was nötig ist, um nicht auszusterben. Man kann darin, wenn man will, eine Form der natürlichen Auslese erkennen, obgleich ich argwöhne, daß der Prozeß der Ein-Schritt-Auslese näher steht als der kumulativen Selektion. Woran ich meine Zweifel habe, ist die Vorstellung, daß diese Form der Auslese irgendeine große Bedeutung für die Erklärung der Evolution hat.
Darin mag sich einfach nur meine subjektive Sicht dessen, was wichtig ist, widerspiegeln. Wie ich zu Beginn dieses Kapitels sagte: Ich erwarte von einer Evolutionstheorie hauptsächlich, daß sie komplexe, gut geplante Mechanismen wie Herzen, Hände, Augen und Echoortung erklärt. Niemand, nicht einmal der hitzigste Vertreter der Artselektion, denkt, daß die Artselektion das kann. Einige Leute glauben, daß die Artselektion gewisse langfristige Trends im Fossilienmaterial erklären kann, etwa den recht häufig beobachteten Trend zu größerer Körpergröße im Verlauf der Zeitalter. Rezente Pferde sind, wie wir gesehen haben, größer als ihre Vorfahren vor 30 Millionen Jahren. Artselektionisten lehnen den Gedanken ab, dies sei durch konstanten individuellen Vorteil zustande gekommen; ihrer Meinung nach zeigt der Trend der Fossilien nicht, daß große individuelle Pferde innerhalb ihrer Art durchgehend erfolgreicher waren als kleine individuelle Pferde. Sie meinen, folgendes sei geschehen: Es gab eine Menge von Arten, einen Artenpool. In einigen dieser Arten war die durchschnittliche Körpergröße groß, in anderen war sie klein (vielleicht weil in einigen Arten große Individuen am besten abschnitten, in anderen kleine). Die Arten mit großer Körpergröße starben mit geringerer Wahrscheinlichkeit aus (oder ließen mit größerer Wahrscheinlichkeit neue Arten wie sie selbst entstehen) als die Arten mit der kleinen Körpergröße. Was auch immer innerhalb der Art vorging, nach Ansicht der Vertreter der Artselektion war der Fossilientrend zu größerer Körpergröße durch eine Aufeinanderfolge von Arten mit fortschreitend größerer Durchschnittsgröße bedingt. Es ist sogar möglich, daß in der Mehrheit der Arten kleinere Individuen begünstigt wurden; dennoch konnte der Trend der Fossilien immer noch zu größerer Körpergröße verlaufen. Mit anderen Worten, die Artenauslese könnte jene Mehrheit von Arten begünstigen, in denen größere Individuen begünstigt wurden. Genau dieses Argument wurde - zugegeben, in der Rolle des advocatus diaboli - von dem großen neodarwinistischen Theoretiker George C. Williams vorgebracht, lange bevor die moderne Artselektionstheorie auf der
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