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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Verbindungsstücke. Sie stehen den Fischen nicht näher als wir Menschen oder als Schnabeltiere oder irgendwelche anderen Säugetiere.
    In der Tat ist es wichtig zu verstehen, daß alle Säugetiere - Menschen, Wale, Schnabeltiere und alle übrigen - den Fischen genau gleich nahe sind, da alle Säugetiere über denselben gemeinsamen Vorfahren mit den Fischen verbunden sind. Der Mythos, daß z. B. Säugetiere eine Leiter oder »Skala« bilden, wobei die »niedrigeren« den Fischen näher stehen als die »höheren«, ist Snobismus, der nichts mit Evolution zu tun hat. Es ist ein uralter, präevolutionstheoretischer Begriff, gelegentlich als die »große Kette der Lebewesen« bezeichnet, den die Evolutionslehre hätte zerstören sollen, der aber auf mysteriösem Wege in die Art und Weise einbezogen wurde, wie viele Menschen über die Evolution denken.
    An diesem Punkt kann ich nicht widerstehen, auf die Ironie aufmerksam zu machen, die in der Herausforderung liegt, die Kreationisten den Evolutionsbiologen gern entgegenschleudern: »Zeigt eure Übergangsformen. Wenn es die Evolution gäbe, dann müßte es Tiere geben, die halb Katze, halb Hund oder halb Frosch, halb Elefant sind. Aber hat irgend jemand jemals einen Frolefant gesehen?« Ich habe kreationistische Flugblätter erhalten, die die Evolutionslehre lächerlich zu machen versuchen, mit Zeichnungen von grotesken Chimären, etwa Pferdehinterteile auf das Vorderteil eines Hundes aufgepfropft. Die Autoren scheinen sich vorzustellen, daß Evolutionisten erwarten, solche Mischexemplare zu finden. Sie gehen nicht nur am Wesentlichen vorbei, sie liefern die genaue Antithese dessen, worauf es ankommt. Eine der stärksten Erwartungen aufgrund der Evolutionstheorie ist, daß Zwischenstufen dieser Art nicht existieren sollten. Das ist der Clou meines Vergleichs zwischen Tieren und Büchern in einer Bibliothek.
    Die Taxonomie lebender Geschöpfe besitzt also die einzigartige Eigenschaft, in einer Welt der vollständigen Information perfekte Übereinstimmung zu schaffen. Das meinte ich, als ich sagte, daß man in der kladistischen Taxonomie Sätze als »wahr« und »falsch« bezeichnen könnte, nicht aber Aufstellungen in irgendeiner Taxonomie eines Bibliothekars. Wir müssen jedoch zwei Einschränkungen machen. Erstens haben wir in der realen Welt keine vollständige Information. Es ist möglich, daß die Biologen sich untereinander nicht über die Tatsachen der Abstammung einig sind, und es mag schwer sein, diese Meinungsverschiedenheiten beizulegen, weil die Information unvollständig ist - sagen wir einmal, weil nicht genügend Fossilien vorliegen. Ich werde darauf noch zurückkommen. Zweitens ergibt sich ein Problem anderer Art, wenn wir zu viele Fossilien haben. Die saubere und klare Eindeutigkeit der Klassifikation kann sich leicht in Luft auflösen, wenn wir alle Tiere, die jemals gelebt haben, einzubeziehen versuchen und uns nicht nur auf rezente Tiere beschränken. Dies deshalb, weil zwei rezente Tiere, so weit sie heute auch voneinander entfernt sein mögen, sagen wir einmal Vogel und Säugetier, irgendwann in der Vergangenheit einmal einen gemeinsamen Ahnen hatten. Wenn wir mit der Aufgabe konfrontiert werden, jenen Ahnen in unsere moderne Klassifikation einzupassen, so können wir Probleme bekommen.
    In dem Augenblick, in dem wir ausgestorbene Tiere in Betracht zu ziehen beginnen, ist es nicht mehr wahr, daß es keine Zwischenstufen gibt. Im Gegenteil, nun haben wir mit potentiell kontinuierlichen Serien von Übergangsformen zu kämpfen. Die Unterscheidung zwischen rezenten Vögeln und rezenten Nichtvögeln wie Säugetieren ist nur deshalb eindeutig, weil die Zwischenstadien, die zum gemeinsamen Vorfahren zurück konvergieren, alle tot sind. Um das zu verdeutlichen, stellen wir uns wieder eine hypothetische »freundliche« Natur vor, die uns ein vollständiges Fossilienmaterial zur Verfügung stellt: ein Fossil von jedem Tier, das jemals gelebt hat. Als ich dieses Phantasiegebilde im vorigen Kapitel einführte, erwähnte ich, daß, unter einem bestimmten Gesichtspunkt betrachtet, die Natur eigentlich keineswegs freundlich ist. Ich dachte dabei an die mühselige Arbeit, alle diese Fossilien zu studieren und zu beschreiben, aber nun kommen wir zu einem anderen Aspekt dieser paradoxen Unfreundlichkeit. Ein vollständiges Fossilienmaterial würde es sehr schwer machen, die Tiere in abgeschlossene benennbare Gruppen zu klassifizieren. Wenn wir über ein vollständiges

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