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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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wären, würden sie heute als störende Zwischenstufen gelten.
    Leser des vorigen Kapitels mögen vielleicht einwenden, daß der ganzen Überlegung, wonach die Kategorien verschwimmen, wenn wir nicht bei den zeitgenössischen Tieren bleiben, die Annahme zugrunde liegt, die Evolution schreite mit konstanter Geschwindigkeit voran, statt unterbrochen zu sein. Je mehr unsere Ansicht der Evolution sich dem Extrem der glatten, kontinuierlichen Veränderung nähert, um so pessimistischer werden wir hinsichtlich der Möglichkeit sein, Begriffe wie Vogel oder Nichtvogel, Mensch oder Nichtmensch auf alle Tiere anzuwenden, die jemals gelebt haben. Ein extremer Saltationist könnte glauben, es habe wirklich einen ersten Menschen gegeben, dessen mutantes Gehirn doppelt so groß wie das Gehirn seines Vaters und das seines schimpansenähnlichen Bruders war.
    Die Vertreter des unterbrochenen Gleichgewichts sind, wie wir gesehen haben, großteils keine echten Saltationisten. Nichtsdestoweniger scheint für sie das Problem der Zweideutigkeit von Namen zwangsläufig weniger schwerwiegend zu sein als für den Vertreter einer mehr kontinuierlichen Evolution. Das Namensproblem würde sogar für Intervallisten entstehen, wenn buchstäblich jedes Tier, das je gelebt hat, als Fossil erhalten geblieben wäre, denn wenn wir wirklich bis ins Detail gehen, sind die Intervallisten tatsächlich Kontinuisten. Da sie aber annehmen, es sei besonders unwahrscheinlich, Fossilien zu finden, die kurze Zeitspannen raschen Übergangs dokumentieren, wogegen es besonders wahrscheinlich sei, Fossilien zu finden, die die langen Perioden der Stagnation belegen, wird das »Namensgebungsproblem« für eine intervallistische Auffassung weniger schwerwiegend sein als für eine nichtintervallistische Auffassung der Evolution.
    Aus diesem Grund legen die Intervallisten und insbesondere Niles Eldrege großes Gewicht darauf, die »Art« als eine wirkliche »Einheit« zu behandeln. Für einen Nichtintervallisten ist »die Art« nur deshalb definierbar, weil die störenden Zwischenglieder tot sind. Ein extremer Anti-Intervallist, der einen langen Blick auf die Gesamtheit der Evolutionsgeschichte wirft, kann »die Art« ganz und gar nicht als abgeschlossene Einheit sehen. Er kann nur ein verschmiertes Kontinuum ausmachen. Seiner Sicht nach hat eine Art niemals einen klar definierten Anfang und nur gelegentlich ein eindeutig definiertes Ende (Aussterben); oft endet eine Art nicht eindeutig, sondern wird allmählich zu einer neuen Art. Ein Intervallist dagegen sieht eine Art als etwas, das zu einer besonderen Zeit entsteht (genaugenommen gibt es eine Übergangsperiode mit einer Dauer von Zehntausenden von Jahren, aber diese Zeitspanne ist nach geologischen Maßstäben kurz). Darüber hinaus sieht er eine Art als etwas, was ein definitives - oder zumindest rasch vollzogenes - Ende hat, nicht einen schrittweisen Übergang in eine neue Art. Da nach Ansicht der Intervallisten der Großteil des Lebens einer Art in unveränderter Stase verbracht wird und da eine Art einen deutlichen Anfang und ein deutliches Ende hat, folgt daraus für einen Intervallisten, man könne von einer Art sagen, sie habe eine definitive, meßbare »Lebenszeit«. Der Nichtintervallist würde eine Art nicht als etwas ansehen, das eine »Lebenszeit« hat wie ein individueller Organismus. Der extreme Intervallist sieht »die Art« als eine getrennte Einheit, die wirklich einen eigenen Namen verdient. Der extreme Anti-Intervallist sieht »die Art« als einen willkürlichen Abschnitt eines kontinuierlich fließenden Flusses und sieht keinen besonderen Grund, Linien zu ziehen, um ihren Anfang und ihr Ende abzugrenzen.
    In einem intervallistischen Buch über die Geschichte einer Gruppe von Tieren, sagen wir einmal, über die Geschichte der Pferde während der letzten 30 Millionen Jahre, wären alle Hauptpersonen des Dramas Arten statt einzelne Individuen, weil der intervallistische Autor von den Arten als von realen »Dingen« mit eigener getrennter Identität spricht. Arten werden plötzlich auf der Bühne erscheinen und ebenso plötzlich wieder verschwinden, ersetzt von einer Nachfolgeart. Es wird so weit eine Geschichte von Nachfolgen sein, wie eine Art der nächsten Platz macht. Wenn jedoch ein Anti-Intervallist dieselbe Geschichte schreibt, wird er Artnamen nur zur ungefähren Orientierung benutzen. Wenn er die Zeit ihrer Länge nach überblickt, hört er auf, Arten als abgeschlossene Einheiten zu sehen.

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