Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Klassifikation nichtlebender Dinge, etwa Felsen oder archäologische Funde, genauso geeignet wie für die Klassifikation lebender Organismen.
Sie fangen gewöhnlich damit an, alles an ihren Tieren zu messen, was sich nur messen läßt. Man muß ein wenig clever sein, um diese Messungen zu interpretieren, aber darauf will ich nicht eingehen. Am Schluß werden die Maße alle miteinander kombiniert und ergeben einen Ähnlichkeitsindex (oder das Gegenteil, einen Verschiedenheitsindex) zwischen jedem Tier und jedem anderen Tier. Wenn man will, kann man sich die Tiere tatsächlich bildlich als Wolken von Punkten im Raum vorstellen. Ratten, Mäuse, Hamster usw. fände man alle in einem Teil des Raumes. Weit entfernt in einem anderen Teil des Raumes gäbe es eine andere kleine Wolke, die aus Löwen, Tigern, Leoparden, Geparden usw. besteht. Der Abstand zwischen zwei beliebigen Punkten im Raum ist ein Maß für die Ähnlichkeit zweier Tiere, wenn sehr viele ihrer Merkmale miteinander kombiniert sind. Der Abstand zwischen Löwe und Tiger ist klein. Ebenso der Abstand zwischen Ratte und Maus. Doch der Abstand zwischen Ratte und Tiger, oder Maus und Löwe, ist groß. Das Zusammenkombinieren von Merkmalen wird gewöhnlich mit Hilfe eines Computers durchgeführt. Der Raum, in dem diese Tiere plaziert sind, ist oberflächlich gesehen so etwas wie das Land der Biomorphe, aber die »Entfernungen« spiegeln körperliche Ähnlichkeiten wider anstelle von genetischen Ähnlichkeiten.
Nachdem ein Index durchschnittlicher Ähnlichkeiten (oder Abstände) zwischen jedem Tier und jedem anderen Tier berechnet ist, wird der Computer als nächstes dafür programmiert, den Satz von Abständen/Ähnlichkeiten abzutasten und sie in ein hierarchisches Haufenmuster einzupassen. Leider gibt es eine Menge Kontroversen darüber, welche Berechnungsmethode bei dieser Suche nach Haufen zu verwenden ist. Es gibt keine einzige ganz korrekte Methode, und die Methoden ergeben nicht alle dieselbe Antwort. Noch schlimmer: Es ist möglich, daß einige dieser Computermethoden über»eifrig« sind, hierarchisch angeordnete Haufen innerhalb von Haufen zu »sehen«, auch wenn es sie gar nicht wirklich gibt. In letzter Zeit ist die Schule der Abstandsmesser, oder der »numerischen Taxonomen«, ein wenig unmodern geworden. Meiner Ansicht nach wird diese Phase vorübergehen, wie oft bei Moden; keineswegs ist diese Art der »numerischen Taxonomie« leicht abzuschreiben. Ich erwarte ein Comeback.
Die andere Schule der Messer reiner Muster bezeichnet sich selbst als transformierte Kladisten, aus geschichtlichen Gründen, wie gesagt. Von dieser Gruppe geht die »Niedertracht« hauptsächlich aus. Ich werde nicht der üblichen Praxis folgen und ihren historischen Ursprüngen aus den Rängen echter Kladisten nachgehen. In ihrer Basisphilosophie haben die sogenannten transformierten Kladisten mehr mit der anderen Schule gemein, die häufig »Phänetiker« oder »numerische Taxonomen« genannt werden und die ich gerade unter dem Titel Durchschnittabstandsmesser erörtert habe. Was sie miteinander gemein haben, ist ein Widerwille, die Evolution in die Praxis der Taxonomie hineinzuziehen, obgleich damit nicht zwangsläufig eine Evolutionsfeindlichkeit verbunden ist.
Was die transformierten Kladisten mit den echten Kladisten gemein haben, sind viele ihrer Methoden in der Praxis. Beide haben von Anfang an sich gabelnde Bäume im Sinn. Und beide greifen gewisse Arten von Merkmalen als taxonomisch wichtig heraus, andere Sorten von Merkmalen bezeichnen sie als taxonomisch wertlos. Sie unterscheiden sich aber hinsichtlich der logischen Grundlage, auf der sie diese Unterscheidung machen. Wie den Durchschnittsabstandsmessern geht es auch den transformierten Kladisten nicht darum, Stammbäume zu entdecken. Sie suchen nach Bäumen reiner Ähnlichkeit. Sie stimmen mit den Durchschnittsabstandsmessern darin überein, die Frage, ob das Ähnlichkeitsmuster Evolutionsgeschichte widerspiegelt, offenzulassen. Aber anders als die Abstandsmesser, die - zumindest in der Theorie - bereit sind, sich von der Natur sagen zu lassen, ob sie tatsächlich hierarchisch organisiert ist, machen die transformierten Kladisten die Annahme, daß es so ist. Es ist für sie ein Axiom, ein Glaubenssatz, daß alle Dinge sich in sich verzweigende Hierarchien (oder äquivalent dazu in eingeschachtelten Mustern) klassifizieren lassen. Da der sich verzweigende Baum nichts mit Evolution zu tun hat, muß er nicht
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