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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Ähnlichkeitsmuster dazu benutzen kann, sie zu testen. Wenn Evolution wahr ist, dann müßten die Ähnlichkeiten unter den Tieren bestimmten vorhersagbaren Mustern folgen, besonders dem Muster des hierarchischen Einschachtelns. Wenn die Evolution falsch ist, mag der Himmel wissen, was für Muster wir erwarten sollten, aber es gibt keinen ersichtlichen Grund, gerade ein eingeschachteltes hierarchisches Muster zu erwarten. Wenn man die Evolution bei der Aufstellung der Taxonomie als Annahme zugrunde legt - und darauf besteht diese Schule -, so kann man die Resultate seiner taxonomischen Arbeit hinterher nicht dazu benutzen, die Wahrheit der Evolution zu beweisen: die Beweisführung wäre ein Zirkelschluß. Dieses Argument zöge, wenn irgend jemand ernsthaft die Wahrheit der Evolution in Frage stellen würde. Wieder einmal ist es schwierig, einen passenden Namen für diese zweite Denkschule unter den Taxonomen zu finden. Ich werde sie die »reinen Ähnlichkeitsmesser« nennen.
    Die Phyletiker, die Taxonomen, die offen evolutionäre Verwandtschaften zu entdecken suchen, teilen sich weiter in zwei Denkschulen auf - in die Kladisten, die den in Willi Hennigs berühmtem Buch Phylogenetische Systematik dargelegten Prinzipien folgen, und in die »traditionellen« evolutionären Taxonomen. Kladisten sind von Gabelungen besessen. Sie sehen das Ziel der Taxonomie darin, die Reihenfolge zu entdecken, in der Abstammungslinien sich im Verlauf der Evolutionszeit voneinander abgespalten haben. Sie kümmern sich nicht darum, wieviel oder wiewenig jene Abstammungslinien sich seit dem Abzweigungspunkt verändert haben. Die »traditionellen« (man benutze diesen Namen nicht abwertend) evolutionären Taxonomen ziehen im Unterschied zu den Kladisten hauptsächlich nicht die Verzweigungen der Evolution in Betracht, sondern berücksichtigen auch die gesamte Menge an Wandel, die im Verlauf der Evolution vorkommt, nicht nur die Verzweigungen.
    Die Kladisten denken, sobald sie mit ihrer Arbeit beginnen, an sich verzweigende Bäume. Im Idealfall beginnen sie damit, alle möglichen sich verzweigenden Bäume aufzuschreiben für die Tiere, mit denen sie es zu tun haben (nur sich einfach gabelnde Bäume, denn jedermanns Geduld hat Grenzen!). Wie wir gesehen haben, als wir die molekulare Taxonomie erörterten, beginnen die Schwierigkeiten, wenn man große Zahlen von Tieren zu klassifizieren versucht, weil die Zahl der möglichen Bäume astronomisch hoch wird. Aber wie wir ebenso gesehen haben, gibt es glücklicherweise Abkürzungen und brauchbare Annäherungen, was bedeutet, daß sich diese Sorte von Taxonomie in der Praxis wirklich durchführen läßt.
    Wenn wir, um der Beweisführung willen, nur die drei Tiere Tintenfisch, Hering und Mensch zu klassifizieren suchen, so sind die einzigen möglichen sich gabelnden Bäume folgende:

1. Tintenfisch und Hering sind einander nahe, der Mensch ist die »Fremdgruppe«.

     
    2. Mensch und Hering sind einander nahe, und der Tintenfisch ist die Fremdgruppe.
     

     
    3. Tintenfisch und Mensch sind einander nahe, und der Hering ist die Fremdgruppe.

     
     
    Die Kladisten würden sich der Reihe nach jeden der drei möglichen Bäume ansehen und den besten Baum auswählen. Wie erkennt man den besten Baum? Im wesentlichen ist es der Baum, der die Tiere mit den meisten gemeinsamen Merkmalen vereinigt. Wir bezeichnen das Tier mit den wenigsten gemeinsamen Merkmalen als »Fremdgruppe«. Von den Bäumen oben würde der unterste bevorzugt, weil Mensch und Hering viel mehr Gemeinsamkeiten aufweisen als Tintenfisch und Hering oder Tintenfisch und Mensch. Der Tintenfisch ist die Fremdgruppe, weil er nicht viele Züge mit Mensch oder Hering gemeinsam hat.
    In Wirklichkeit ist die Zählung gemeinsamer Merkmale nicht ganz so einfach, weil einige Arten von Merkmalen unberücksichtigt bleiben. Die Kladisten wollen Merkmalen aus neuerer Zeit ein besonderes Gewicht geben. Alte Merkmale, etwa die, die alle Säugetiere von dem ersten Säugetier erbten, sind für Klassifikationen innerhalb der Säugetiere nutzlos. Ihre Entscheidungskriterien für alte Züge sind interessant, würden uns aber über den Rahmen dieses Buches hinausführen. Woran wir uns jedoch an diesem Punkt erinnern müssen, ist, daß der Kladist, wenigstens im Prinzip, zunächst alle sich einfach gabelnden Bäume in Erwägung zieht, die den Satz der betrachteten Tiere verbinden könnten, und dann den einen korrekten Baum auszuwählen sucht. Und der echte Kladist

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