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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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einzelnen Tieres während der Embryonalentwicklung. Evolution findet statt, weil es in aufeinanderfolgenden Generationen winzige Unterschiede in der Embryonalentwicklung gibt. Diese Unterschiede stammen aus Veränderungen (Mutationen - dies ist das kleine Zufallselement in dem besprochenen Vorgang) in den die Entwicklung kontrollierenden Genen. In unserem Computermodell brauchen wir daher etwas, das der Embryonalentwicklung, und etwas, das mutierbaren Genen entspricht. In einem Computermodell können wir diesen Erfordernissen auf vielerlei Weise entsprechen. Ich entschied mich und schrieb ein entsprechendes Programm. Im folgenden werde ich das Computerprogramm beschreiben, weil ich es für aufschlußreich halte. Wer von meinen Lesern gar nichts über Computer weiß, möge sich einfach nur daran erinnern, daß sie Maschinen sind, die genau das tun, was man ihnen sagt, deren Resultate uns aber häufig überraschen. Eine Liste mit Anweisungen für einen Computer nennt man ein Programm.
    Die Embryonalentwicklung ist ein Vorgang, der bei weitem zu kompliziert ist, um ihn auf einem kleinen Computer realistisch zu simulieren. Wir müssen sie daher durch ein vereinfachtes Analogon wiedergeben. Wir brauchen eine einfache Instruktion zum Bilderzeichnen, die der Computer leicht befolgen kann und die unter Einfluß von »Genen« veränderlich ist. Für welchen Zeichenbefehl sollen wir uns entscheiden? In Lehrbüchern der Computerwissenschaft wird die Wirkung eines sogenannten rekursiven Programmierens häufig durch den einfachen Vorgang eines wachsenden Baumes illustriert. Der Computer beginnt damit, einen einzelnen senkrechten Strich zu zeichnen. Dann verzweigt sich der Strich in zwei Äste, danach jeder dieser Äste jeweils in zwei Unteräste, dann jede dieser Astunterteilungen erneut in je zwei usw. Es heißt »rekursiv«, weil dieselbe Regel (in diesem Fall das einfache
    Verzweigen) an allen Stellen des wachsenden Baumes angewendet wird. Gleichgültig, wie groß der Baum wird, dieselbe Verzweigungsregel wird immer weiter an den Spitzen aller seiner Zweiglein angewendet.
    »Rekursions«tiefe bedeutet die Anzahl der Unter-Unter-Unter-...Zweige, die wachsen dürfen, bevor der Ablauf zum Stillstand kommt. In Abb. 2 sehen wir, was geschieht, wenn wir dem Computer befehlen, diese Zeichenregel zu befolgen, aber bei verschiedenen Rekursionstiefen aufzuhören. Bei großen Rekursionstiefen wird das Muster recht verwickelt, aber aus läßt sich leicht ersehen, daß es immer noch durch die selbe sehr einfache Verzweigungsregel erzeugt wird. Genau das geschieht natürlich auch bei einem echten Baum. Das Verzweigungsmuster einer Eiche oder eines Apfelbaumes sieht kompliziert aus, ist es aber in Wirklichkeit nicht. Die grundlegende Verzweigungsregel ist einfach. Weil sie aber rekursiv an allen wachsenden Spitzen des ganzen Baumes angewandt wird - Zweige bringen Unterzweige hervor, dann erzeugt jeder Unterzweig Unter-Unterzweige und so weiter -, sieht der ganze Baum schließlich groß und buschig aus.

 

     

     

     

     
    Abb. 2
     
    Rekursive Verzweigung ist auch ein gutes Bild für die Embryonalentwicklung von Pflanzen und Tieren im allgemeinen. Ich meine nicht, daß Embryonen wie sich verzweigende Bäume aussehen; natürlich nicht. Aber alle Embryos wachsen durch Zellteilung. Zellen teilen sich immer in zwei Tochterzellen. Und Gene üben den Einfluß, den sie letztlich auf Körper haben, immer durch lokale Einwirkung auf Zellen und auf die Zweiteilungsmuster der Zellteilung aus. Die Gene eines Tieres sind niemals ein Gesamtentwurf, eine Blaupause für den ganzen Körper. Sie sind, wie wir sehen werden, eher einem Rezept als einer Blaupause vergleichbar; und zwar einem Rezept, dem nicht der sich entwickelnde Embryo als Ganzes, sondern jede einzelne Zelle oder jede einzelne lokale Ansammlung sich teilender Zellen folgt. Ich bestreite keineswegs, daß der Embryo und später das ausgewachsene Individuum tatsächlich eine großformatige Gestalt besitzt. Aber diese große Gestalt ergibt sich aus einer Vielzahl kleiner örtlicher Zellwirkungen überall in dem sich entwickelnden Körper, und diese lokalen Wirkungen bestehen hauptsächlich aus Zweiteilungen, in Form der Zweiteilungen von Zellen. Durch ihre Einwirkung auf diese lokalen Ereignisse üben die Gene letzten Endes Einfluß auf den Erwachsenenkörper aus.
    Die einfache Verzweigungsregel für das Zeichnen von Bäumen erscheint also als eine vielversprechende Analogie für die

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