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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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die linke wie für die rechte Seite), und zum Teil schließlich, weil ich tierähnliche Figuren herauszubilden hoffte, und die meisten Tierkörper sind hübsch symmetrisch. Aus dem gleichen Grunde werde ich diese Kreaturen von jetzt ab nicht mehr »Bäume« nennen, sondern »Körper« oder »Biomorphe«. Biomorph ist der Name, den Desmond Morris für die annähernd tierähnlichen Gestalten in seinen surrealistischen Gemälden geprägt hat. Diese Bilder haben einen besonderen Platz in meinem Herzen, denn eins von ihnen zierte den Deckel meines ersten Buches. Desmond Morris behauptet, seine Biomorphe machten in seinem Geist eine »Evolution durch«, und diese ihre Evolution ließe sich über aufeinanderfolgende Bilder hinweg verfolgen.
    Zurück zu den Computerbiomorphen und dem Kreis von 18 möglichen Mutanten, von denen acht repräsentative Fälle in Abb. 3 wiedergegeben sind. Da jedes Glied des Kreises nur einen Mutationsschritt vom zentralen Biomorph entfernt ist, ist es leicht, sie als Kinder des zentralen Elters zu sehen. Somit haben wir unsere Analogie zur Reproduktion, die wir, ebenso wie wir es bereits mit ENTWICKLUNG getan haben, in ein weiteres kleines Computerprogramm eingeben können, um es dann in unser großes Programm namens EVOLUTION einzubetten. Man beachte zwei Dinge an REPRODUKTION. Erstens, es gibt keinen Sex; die Reproduktion ist ungeschlechtlich. Ich stelle mir die Biomorphe daher als weiblich vor, da sich ungeschlechtlich fortpflanzende Tiere, wie die grüne Blattlaus, Weibchen sind. Zweitens, alle meine Mutationen unterliegen der Einschränkung, daß immer nur eine nach der anderen stattfinden darf. Ein Kind unterscheidet sich von seinen Eltern in nur einem der neun Gene; darüber hinaus geschehen alle Mutationen, indem +1 oder -1 zum Wert des entsprechenden Elterngens hinzuaddiert wird. Das sind willkürliche Vorschriften: sie hätten anders aussehen können, wären jedoch biologisch immer noch realistisch.
    Das aber gilt nicht für das folgende Charakteristikum des Modells, das ein Grundprinzip der Biologie ausdrückt. Die Gestalt eines Kindes ist nicht direkt von der Gestalt des Elters abgeleitet. Vielmehr erhält jedes Kind seine Gestalt von den Werten seiner eigenen neun Gene (die Winkel, Abstände usw. beeinflussen). Und jedes Kind erhält seine neun Gene von den neun Genen seines Elters. Genau das geschieht auch im wirklichen Leben. Nicht Körper werden über die Generationen weitergegeben, sondern Gene. Gene beeinflussen die Embryonalentwicklung des Körpers, in dem sie sitzen. Dann werden dieselben Gene entweder an die nächste Generation weitergegeben oder nicht. Die Natur der Gene wird durch ihre Beteiligung an der Körperentwicklung nicht beeinflußt, aber die Wahrscheinlichkeit, weitergegeben zu werden, kann durch den Erfolg des Körpers, zu dem sie beigetragen haben, beeinflußt werden. Das ist der Grund, weshalb es in dem Computermodell wichtig ist, die zwei Unterprogramme ENTWICKLUNG und REPRODUKTION als zwei sozusagen »wasserdichte« Abteilungen zu schreiben. Sie sind wasserdicht, von der Ausnahme abgesehen, daß REPRODUKTION Genwerte an ENTWICKLUNG weitergibt, wo sie die Wachstumsregeln beeinflussen. ENTWICKLUNG, das muß mit allem Nachdruck hervorgehoben werden, gibt keine Genwerte an REPRODUKTION zurück - das wäre gleichbedeutend mit »Lamarckismus« (siehe Kapitel 11).
    Wir haben nun unsere zwei Programmteile namens ENTWICKLUNG und REPRODUKTION zusammengestellt. REPRODUKTION reicht Gene über Generationen hinweg weiter, wobei die Möglichkeit der Mutation besteht. ENTWICKLUNG übernimmt die Gene, die REPRODUKTION in jeder gegebenen Generation liefert, und übersetzt sie in Zeichenarbeit und somit in das Bild eines Körpers auf dem Computerbildschirm. Es ist nun an der Zeit, daß wir die zwei Teilprogramme zum großen Programm namens EVOLUTION zusammenfügen.
    EVOLUTION besteht im wesentlichen aus einer endlosen Wiederholung von REPRODUKTION. In jeder Generation nimmt REPRODUKTION die Gene, die ihm von der vorherigen Generation geliefert werden, und gibt sie an die nächste Generation weiter, allerdings mit geringen zufälligen Fehlern Mutationen. Eine Mutation besteht einfach aus einem +1 oder -1, das zu dem Wert eines zufällig herausgegriffenen Gens hinzugezählt wird. Das bedeutet, daß im Verlauf von Generationen der Gesamtbetrag des genetischen Unterschieds vom ursprünglichen Vorfahren sehr groß werden kann, kumulativ, jedes Mal durch einen kleinen Schritt. Aber

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