Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Kräfte der Natur die erforderlichen Voraussetzungen für eine kumulative Selektion geschaffen haben, so könnten die Folgen seltsam und großartig gewesen sein. In der Tat ist genau das hier auf unserem Planeten geschehen, und wir selbst gehören zu den jüngsten, wenn nicht sogar zu den sonderbarsten und wunderbarsten Folgen.
Es ist erstaunlich, daß man immer noch Leute findet, die Berechnungen wie meine Hämoglobinrechnung so auslegen, als wären sie Argumente gegen die Theorie Darwins. Wer dies tut, häufig Experten auf ihrem eigenen Fachgebiet, in der Astronomie z. B. oder was immer sonst, scheint ernsthaft zu glauben, der Darwinismus erkläre die Organisation der Lebewesen einzig und allein durch den Zufall - durch die »EinSchritt-Auslese«. Dieser Glaube, daß die Darwinsche Evolution »willkürlich« ist, ist nicht nur falsch. Er beinhaltet sogar das genaue Gegenteil des Richtigen. Der Zufall ist eine unwichtige Zutat im Darwinschen Rezept, die wichtigste Zutat ist die kumulative Auslese, die in ihrer Quintessenz nicht zufällig ist.
Bei Wolken ist keine kumulative Selektion möglich. Es gibt keinen Mechanismus, mit dessen Hilfe besonders geformte Wolken Tochterwolken hervorbringen können, die ihnen ähnlich sehen. Gäbe es einen solchen Mechanismus, d. h. könnte eine Wolke, die wie ein Wiesel oder wie ein Kamel aussieht, eine Abstammungslinie anderer Wolken mit mehr oder weniger gleicher Form erzeugen, so gäbe es einen Ansatz für die kumulative Auslese. Natürlich treiben Wolken wirklich gelegentlich auseinander und bilden »Tochter«wolken, aber für die kumulative Auslese reicht das nicht aus. Dazu wäre es nötig, daß die »Nachkommenschaft« einer gegebenen Wolke ihren »Eltern« ähnlicher ist als irgendeiner anderen Wolke in der »Population«. Dieser entscheidend wichtige Punkt wird offenbar von einigen Philosophen mißverstanden, die sich in den letzten Jahren für die Theorie der natürlichen Auslese zu interessieren begonnen haben. Außerdem wäre es nötig, daß die Chancen einer bestimmten Wolke, zu überleben und Kopien hervorzubringen, von ihrer Form abhängig sind. Vielleicht sind diese Bedingungen tatsächlich in irgendeiner fernen Galaxie gegeben, und das Resultat dort ist, nachdem genügend viele Millionen von Jahren vergangen sind, eine ätherisch zarte Lebensform - ein gutes Thema für eine Science-Fiction-Geschichte. Die weiße Wolke könnte sie heißen - aber für unsere Zwecke ist ein Computerbeispiel wie das Affen/ Shakespeare-Modell leichter zu begreifen.
Obwohl das Affen/Shakespeare-Modell für die Erklärung des Unterschieds zwischen der Ein-Schritt-Auslese und der kumulativen Selektion nützlich ist, führt es doch in mehreren wichtigen Beziehungen in die Irre. Eine davon ist, daß die aus der Mutation entstandenen Satz»nachkommen« in jeder Generation selektiver »Züchtung« nach ihrer Ähnlichkeit mit einem entfernten Idealziel beurteilt wurden, nämlich nach ihrer Ähnlichkeit mit dem Satz METHINKS IT IS LIKE A WEASEL. Aber das Leben ist nicht so. Die Evolution hat kein Langzeitziel. Es gibt kein Langzeitziel, keine letzte Perfektion, die als Kriterium für die Auslese dient, auch wenn unsere menschliche Eitelkeit die absurde Vorstellung hegt, daß unsere Spezies das Endziel der Evolution darstellt. In der Realität ist das Kriterium der Auslese immer kurzfristig, entweder einfaches Überleben oder, häufiger, Fortpflanzungserfolg. Wenn nach Äonen das, was wie ein Fortschreiten auf ein entferntes Ziel hin aussieht, rückblickend gesehen erreicht worden zu sein scheint, so ist das immer eine beiläufige Konsequenz vieler Generationen von kurzfristiger Auslese. Der »Uhrmacher«, das ist die kumulative natürliche Auslese, ist blind für die Zukunft und verfolgt keine langfristigen Pläne.
Wir können unser Computermodell so verändern, daß dieser Punkt berücksichtigt wird. Wir können es auch in anderen Beziehungen realistischer gestalten. Buchstaben und Wörter sind typisch menschliche Ausdrucksformen, lassen wir also den Computer statt dessen lieber Bilder zeichnen. Vielleicht sehen wir sogar tierähnliche Gestalten sich im Computer entwickeln, durch kumulative Auslese mutierender Formen. Wir wollen jedoch die Aufgabe nicht im voraus festlegen, indem wir spezifische Tierbilder vorgeben, von denen wir ausgehen. Wir wollen, daß sie einzig und allein als Ergebnis der kumulativen Auslese zufälliger Mutationen entstehen.
Im realen Leben entsteht die Gestalt jedes
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