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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Bedingungen nach einer zweimonatigen Probezeit neu verhandeln. Ich frage R. was wir tun müssen, aber Details interessieren ihn nicht. Er macht gerne Geschäfte. Dann zückt er zwei Zigaretten, was mich zum Schweigen bringt. Ich frage mich, warum ich mein Schicksal vollständig in seine Hände lege, bis mir all die anderen Legionäre einfallen, die weggegangen und nach Dar Riffen zurückgekehrt waren, weil sie in der Welt draußen nicht zurechtkamen.
    R. offenbart mir etwas über sich, wie um unseren Bund zu vertiefen. Er erzählt mir, dass 1936 ein Laster mit Anarchisten in sein Dorf kam, die vom Bürgermeister die Auslieferung aller Faschisten verlangten. Der Bürgermeister erklärte ihnen, dass alle geflohen waren. Zwei Tage später kamen die Anarchisten mit einer Liste zurück, auf der auch die Namen von Raúls Eltern standen. Die Anarchisten führten sie in eine Schlucht und erschossen alle. »Praktisch jeder, den ich kannte, ist an diesem Nachmittag erschossen worden«, sagte er. Er war damals zwölf Jahre alt.

    10. Januar 1944, Algeciras
    Das Boot des contrabandista ist ein alter Fischkutter von etwa fünfzehn Metern Länge und drei bis vier Metern Breite mit einem großen Frachtraum achtern und Kojen vorn. Außerdem gibt es ein kleines Steuerhaus mit zwei gesprungenen Scheiben; darunter liegt die Maschine, und dort treffen wir auch Armando, einen untersetzten Mann mit schwarzen Haaren und einem schmutzigen, stoppeligen Gesicht. Er hat sanfte braune Augen, aber seine Lippen sind schmal und sein Lächeln wirkt gepresst. Er ist mir nicht unsympathisch, vor allem nachdem er uns einen Bohneneintopf mit Tomaten, Knoblauch und chorizo gekocht hat. Er erklärt uns, dass wir in der Kabine Kleidung finden würden; wir essen und trinken, und ich fühle mich fett und schläfrig, vergesse jedoch nicht zu fragen, wessen Kleider wir eigentlich tragen. Sie gehörten der letzten Mannschaft, die von irgendwelchen Italienern erschossen worden ist. R. fragt ihn, wie er davongekommen ist, und schroff erwidert er: »Ich habe die Italiener getötet.«
    Nach dem verfallenen und schmutzigen Algeciras wirkt Tanger direkt wohlhabend. Der Hafen ist voller Schiffe, alle Kräne sind in Bewegung. Auf den Docks wimmelt es von Marokkanern, die sich entweder unter den Kapuzen ihrer Burnusse verkriechen oder unter irgendeiner Last bücken. Laster und Autos tuckern zwischen den Menschenmassen, darunter viele große amerikanische Straßenkreuzer. Herrschaftlich erhebt sich das Hotel Continental über dem Hafen. Weitere Hotels reihen sich entlang der Avenida de España – das Biaritz, das Cecil, das Méndez. Die Vorstellung, mein Vater könnte hergezogen sein, um von dem Boom zu profitieren, lässt mich blass werden.
    R. hüpft erregt auf dem Vorderdeck herum. A. sieht mich mit stumpfen Augen an und fragt, was das soll. Ich erkläre ihm, dass R. Geld wittert wie ein Köter eine läufige Hündin. A. reibt sich sein stoppeliges Kinn mit seiner schwieligen Hand. Ich würde diese Hände gern malen … und sein Gesicht, in dem sich Sensibilität und Brutalität vereinen.
    Nachdem wir festgemacht haben, spricht A. unter vier Augen mit R. der anschließend verschwindet. A. raucht eine Pfeife und gibt mir Tabak und ein Blättchen, um eine Zigarette zu drehen. Schmauchend sagt er: »Ihr seid die beste Mannschaft, die ich je hatte.« Ich antworte, dass ich doch noch gar nichts getan hätte. »Das kommt noch«, sagt er. »R. führt die Verhandlungen, und du übernimmst das Töten.« Seine Worte lassen meine Eingeweide gefrieren. War das alles, was er gesehen hat, als er mir ins Gesicht geschaut hat? Mir wird klar, dass R. geredet hat.

    11. Januar 1944
    Letzte Nacht sind wir ausgelaufen. R. war nach wenigen Stunden mit einem Amerikaner und zwei Marokkanern zurückgekommen, die ein 200-Liter-Fass Diesel rollten. Für den Kraftstoff hat R. einen besseren Preis ausgehandelt, als es A. je gelungen ist. R. und A. unterhielten sich weiter über Preise, und um neun luden wir säckeweise Mehl und Kichererbsen sowie acht Fässer Benzin an Bord. R. bietet an, die Bücher zu führen, und A. fragt: »Welche Bücher?« R. kann lesen und schreiben, doch sein wahres Talent liegt in den Zahlen. Seit er elf war, hat er für seine Eltern die Buchführung gemacht. »Wenn sie auf den Markt gegangen sind, haben sie dieses gekauft und jenes verkauft. Ich habe es aufgeschrieben. Nach einem halben Jahr konnte ich ihnen sagen, womit sie Geld verdienten und womit sie Verlust

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