Der Blinde von Sevilla
machten.« Der Markt war im Nachbardorf. »Jetzt weißt du, warum die Anarchisten deine Eltern erschossen haben«, sage ich. Der Gedanke ist ihm nie gekommen.
13. Januar 1944
Wir hielten Abstand von der Küste, bis wir im Schutz der Dunkelheit in das kleine Fischerdorf Salobreña einliefen. A. schickt von Bord ein Leuchtsignal und nimmt, als wir das Antwortzeichen erhalten, Kurs auf die Küste. Während wir warten, zeigt A. mir seine einzige Waffe, eine Schrotflinte mit silberner Gravur über dem Abzugsbügel. »Ein Kunstwerk zum Töten«, sage ich. Nervös macht mich nur, dass ich die ganze Arbeit mit zwei Schuss erledigen muss, aber er versichert mir, dass die Streuung sehr abschreckend ist. Dann gehen er und R. ihren Geschäften nach, und ich bewache das Schiff. Eine halbe Stunde später kommen sie streitend zurück. Die Käufer wollten R.s überzogenen Preis nicht akzeptieren. A. ist wütend, weil er einen anderen Hafen anlaufen muss, um einen neuen Käufer zu finden. R. sagt ihm, er solle Geduld haben, die Käufer würden zurückkommen. A. läuft nervös an Deck auf und ab. R. raucht. Um drei Uhr nachts erklärt er A. er solle die Maschine starten. Als R. Vorbereitungen zum Ablegen trifft, kommen vier Männer auf uns zugerannt. Ich patrouilliere mit der Schrotflinte an Deck. Geld wechselt seinen Besitzer. Wir löschen unsere Ladung und legen noch vor Anbruch der Dämmerung ab.
15. Januar 1944
R. rechnet A. vor, dass er, wenn er den in Salobreña angebotenen Preis akzeptiert hätte, plus minus null aus der Sache herausgegangen wäre und bei dem üblicherweise von ihm bezahlten Preis für den Diesel sogar Verlust gemacht hätte. Außerdem schlägt er vor, wir sollten auf Zigaretten umsteigen. »Zigaretten sind die neue Währung. Mit Zigaretten kann man alles kaufen. Francs, Reichsmark und Lire sind nichts mehr wert.« Die Vorstellung lässt A. blass werden. Den Zigarettenhandel kontrollieren die Italiener, und er will damit nichts zu tun haben. R. zeigt auf mich und sagt: »Er ist ein ausgebildeter Soldat. Er war bei der Legion. Er war in Russland. Kein Italiener kann es mit ihm aufnehmen.« R. hat seine Hausaufgaben gemacht – ich habe ihm nichts von alldem erzählt. A. sieht mich an, und ich sage: »Mit einer Schrotflinte mache ich gar nichts. Wenn du Zigaretten schmuggeln willst, brauchen wir mindestens eine Maschinenpistole.« R. lacht. »Eine Maschinenpistole!«, sagte er. »Dieser Amerikaner, der uns den Diesel und das Benzin verkauft hat, kann einem alles besorgen. Eine Haubitze, einen deutschen Panzer, sogar einen B-17 Bomber – obwohl das, wie er meinte, ein bisschen länger dauern könnte.«
29. Januar 1944
In der letzten Woche sind die Alliierten in Anzio gelandet, und R. ist nervös, dass seine kostbaren Märkte mit dem Ende des Krieges zusammenbrechen könnten. Ich erkläre ihm, dass die Alliierten noch eine Menge Arbeit vor sich hätten, weil die Deutschen ihr Territorium nicht so leicht aufgeben. R. will schon jetzt unbedingt ein eigenes Boot, und ich weise ihn darauf hin, dass wir noch nicht einmal unsere ersten zehn Dollar verdient hätten, geschweige denn genug Geld, um auch nur ein Ruderboot anzuzahlen. R. besteht darauf, dass A. ihm beibringt, wie man eine Seekarte liest, einen Kurs festlegt, einen Kompass benutzt und sich an den Sternen orientiert. Ich höre den Unterrichtsstunden auch zu.
20. Februar 1944
A. hat sich durchgesetzt, und wir machen regelmäßige Fahrten mit Kichererbsen, Mehl und Benzin, bis R. ein seltsames Geschäft an Land zieht, bei dem wir für sehr wenig Geld eine Ladung Pfeffer nach Korsika transportieren sollen. Verschifft wird die Ware von einem Deutschen, der aus Casablanca gekommen ist und die Ware von einem Juden in der Stadt gekauft hat. Ich kann mir nicht vorstellen, was die Korsen mit all dem schwarzen Pfeffer anfangen wollen, doch als der Deutsche merkt, dass ich seine Sprache spreche, und hört, dass ich in Russland gekämpft habe, vertraut er mir an, dass der Pfeffer umgeladen werden und in einer deutschen Munitionsfabrik landen soll.
24. Februar 1944
Wir haben auf Korsika angelegt, und R. ist begeistert, Kontakte sowohl zu Deutschen als auch zu Korsen geknüpft zu haben. Offenbar werden wir in Zukunft Zigaretten nach Korsika liefern, und den Korsen bleibt es überlassen, sie nach Marseille oder Genua weiter zu transportieren. R. weist A. darauf hin, dass wir für weniger Risiko mehr Geld bekommen. Doch A. kann ihn selbst für dieses schlichte
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