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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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muss man schon schwer gestört sein.«
    »Sie haben bei Ihrem Eintreffen nur die letzten Bilder des Videos gesehen. Vielleicht ist Ihnen nicht bewusst geworden, was Sie da gesehen haben«, sagte er. »Ihr Mann hat gestern Abend eine Prostituierte mit in diese Wohnung gebracht, und der Mörder hat es gefilmt. Wir denken, dass er mit Hilfe der Hebebühne der Umzugsfirma möglicherweise schon viel früher in die Wohnung eingedrungen ist, gegen Mittag, um sich dann hier zu verstecken und auf seinen Moment zu warten.«
    Sie riss die Augen auf, griff nach ihren Zigaretten, zündete sich eine an und legte die Hand an die Stirn.
    »Ich war gestern Nachmittag mit den Kindern hier, bevor wir ins Hotel Colón gefahren sind.« Sie war aufgesprungen und lief vor dem Schreibtisch auf und ab.
    »Wir haben Ihren Mann in dem anderen der zwei Besucherstühle gefunden«, redete Falcón weiter, ohne den Blick von ihr zu wenden. »Unterarme, Knöchel und sein Kopf waren mit Kabel gefesselt. Er war barfuß, weil man ihn mit seinen Socken geknebelt hatte. Dann wurde er gezwungen, sich etwas auf dem Bildschirm anzusehen, das so schrecklich für ihn war, dass er sich mit aller Gewalt dagegen gewehrt hat.«
    Noch während er das sagte, kam ihm der Gedanke, dass das nur die halbe Wahrheit war. Vielleicht war das Grauen auf dem Bildschirm nur der Anfang gewesen, und was Raúl Jiménez bewogen hatte, sich zu winden, war das Erwachen in quälenden Schmerzen gewesen und die Erkenntnis, dass der Wahnsinnige seine Augenlider abgeschnitten hatte. Danach hatte er gewusst, dass er nichts mehr zu verlieren hatte, und wie ein Hund gekämpft, bis sein Herz ausgesetzt hatte.
    »Was musste er sich denn ansehen?«, fragte sie verwirrt. »Ich habe nicht gesehen …«
    »Was Sie gesehen haben, enthielt ein gewisses Maß an Schrecken für Sie persönlich. Heimlich verfolgt zu werden ist unheimlich, aber nichts, gegen dessen Anblick man sich bis zum Punkt der Selbstverstümmelung wehren würde.«
    Auf ihrem Stuhl krümmte die Señora sich Schutz suchend zusammen. »Mir fällt nichts ein. Ich kann mir etwas Derartiges nicht vorstellen.«
    »Ich auch nicht«, sagte Falcón.
    Sie zog an ihrer Zigarette und spuckte den Rauch aus, als würde sie sich davor ekeln. Falcón suchte nach Anzeichen für Verstellung.
    »Mir fällt wirklich nichts ein«, wiederholte sie.
    »Sie müssen nachdenken, Doña Consuelo. Sie müssen jede Minute Ihres Lebens mit Raúl Jiménez durchgehen, dazu alles, was Sie über sein Leben vor Ihrer Begegnung wissen, und Sie müssen … mir das alles erzählen, damit wir gemeinsam den feinen Riss finden … den …«
    »Den feinen Riss?«
    Falcóns Gehirn war auf einmal leer. Von welchem Riss redete er? Eine Öffnung. Ein Spalt. Aber wo hinein?
    »Vielleicht stoßen wir auf etwas, was uns eine Einsicht ermöglicht«, sagte er. »Ja, genau, eine Einsicht.«
    »In was?«
    »In das, wovor Ihr Mann Angst hatte«, sagte Falcón, seinen Faden verlierend.
    »Er hatte nichts zu fürchten. Es gab in seinem Leben nichts Beängstigendes.«
    Falcón zügelte seine Gedanken. Angst? Was dachte er nur. Was sollte die Angst dieses Mannes ihm sagen?
    »Ihr Mann hatte gewisse … Vorlieben«, sagte Falcón und nestelte an der Packung Celtas herum. »Wir befinden uns hier in einem der vornehmsten Gebäude Sevillas, zumindest war es das vor 15 Jahren …«
    »Also ungefähr zu der Zeit, als er es gekauft hat«, sagte sie. »Mir hat es hier nie gefallen.«
    »Und wohin wollten Sie umziehen?«
    »Nach Heliopolis.«
    »Auch eine teure Gegend«, sagte Falcón. »Er besitzt vier der bekanntesten Restaurants von Sevilla, in denen die Reichen, Mächtigen und Berühmten zu speisen pflegen. Und trotzdem … hat er Celtas mit abgebrochenem Filter geraucht und in der Alameda billige Nutten aufgegabelt.«
    »Das war eine neuere Entwicklung. Nicht länger als zwei Jahre … seit … Viagra erhältlich wurde. Davor war er drei Jahre impotent.«
    »Sein Tabakgeschmack geht vermutlich auf eine Zeit zurück, als er kein Geld hatte. Wann war das?«
    »Ich weiß es nicht, er hat nie darüber geredet.«
    »Woher stammt er?«
    »Darüber hat er auch nicht viel geredet«, sagte sie. »Wir Spanier haben keine so glorreiche Vergangenheit, dass seine Generation sich gerne freiwillig darin suhlt.«
    »Was wissen Sie über seine Eltern?«
    »Dass sie beide tot sind.«
    Consuelo Jiménez mied jetzt den direkten Augenkontakt und ließ ihren Blick stattdessen durch den Raum schweifen.
    »Wann

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