Der Blinde von Sevilla
ein Ebenbild seiner Frau, deshalb aber nicht ihr Klon war. Nachdem er mich so hartnäckig umworben hatte, hat er komplett darin versagt, mich zu lieben. Ich glaube sogar, dass ich ihn noch trauriger gemacht habe, weil ich ihn ständig an sie erinnert habe. Trotzdem hat er seinen Teil der Vereinbarung eingehalten, das muss ich ihm lassen.«
»Was war das?«
»Er wollte auf keinen Fall weitere Kinder, und ich wollte unbedingt welche. Ich habe gesagt, ich würde ihn nur heiraten, wenn er mir Kinder schenken würde. Also haben wir zu den drei notwendigen Anlässen miteinander … kopuliert, ja, ich denke, das ist das passende Wort. Für den Jüngsten hat er es gerade noch so geschafft. Das war in den Zeiten vor Viagra.«
»Also haben Sie sich Basilio Lucena gesucht.«
»Lassen Sie mich erst noch von den Kindern erzählen«, fauchte sie. »Nachdem er erklärt hatte, dass er keine Kinder wollte, war er dann komplett in sie vernarrt und zwanghaft beschützend. Er war regelrecht besessen von ihrer Sicherheit. Er hat dafür gesorgt, dass sie von der Schule abgeholt wurden und nie unbeaufsichtigt spielten. Haben Sie die Eingangstür dieser Wohnung gesehen? In dem Korpus der Tür gibt es sechs Stahlbolzen, die durch fünfmaliges Umschließen in die Wand getrieben werden. So eine Tür haben wir nicht mal in dem Büro mit dem Safe.«
»Wer hat die Tür abends normalerweise abgeschlossen?«
»Er, es sei denn, er war unterwegs, und dann rief er mich um ein oder zwei Uhr früh an, um sich zu vergewissern, dass ich es getan hatte.«
»Hat er die Tür auch abgeschlossen, wenn er alleine war?«
»Das glaube ich ganz bestimmt. Er redete ständig davon, dass man es zu einer alltäglichen Gewohnheit machen müsste, damit man es nie vergisst.«
»Haben Sie ihn je nach dem Grund für dieses übertriebene Sicherheitsbedürfnis gefragt?«
»Ich war gerührt, dass er sich so um die Kinder sorgte.«
Falcóns Handy klingelte. Es war Ramírez, der mit den Umzugsleuten fertig war. Es hatte eine Weile gedauert, sie zu knacken, aber schließlich hatten sie zugegeben, dass sie die Hebebühne während der Mittagspause unbeaufsichtigt gelassen hatten. Sie hatten behauptet, dass die Hebebühne nur bei laufendem Motor des LKW funktionierte, doch die Bühne wurde auf einer Schiene hochgefahren, die man ebenso gut als Leiter benutzen konnte. Falcón sagte Ramírez, er solle sich zusammen mit Fernández und dem Pförtner die Videobänder der Sicherheitskameras ansehen, und legte auf.
»Ich würde gern über Basilio Lucena reden«, sagte er.
»Da gibt’s nichts zu erzählen.«
»Hatten Sie irgendwelche Pläne?«
»Pläne?«
»Ihr Mann war schon alt. Ist Ihnen nie der Gedanke …«
»Nein … nie. Basilio und ich verbringen angenehm Zeit miteinander. Natürlich geht es dabei auch um Sex, aber es ist keine große Leidenschaft. Wir lieben uns nicht.«
»Ich dachte nur an den Fürstensohn, den Sie vorhin erwähnten.«
»Das war etwas anderes«, sagte sie. »Ich habe nicht die Absicht, meine Beziehung zu Basilio weiter zu entwickeln. Vielleicht werde ich sie jetzt sogar beenden.«
»Tatsächlich?«
»Ich hätte gedacht, dass Sie mit Ihrem berühmten Vater wüssten, wie die Gesellschaft auf mich herabblicken wird. Es wird Gerede und üble Unterstellungen geben, nicht unähnlich denen, für die Sie vom Staat bezahlt werden. Es wird natürlich alles müßig sein … aber bösartig, und davor werde ich meine Kinder schützen.«
»Sind Sie es oder Ihr Mann, der die Feinde hat?«
»Man sieht mich als eine Frau, die ihren Status nicht verdient, sich nur an die Rockschöße ihres Mannes geklammert hat und ohne Raúl Jiménez im Leben gescheitert wäre. Aber die werden schon sehen«, sagte sie und biss die Zähne zusammen. »Die werden schon sehen.«
»Kennen Sie die Einzelheiten des Testaments Ihres Mannes?«
»Ich habe nie mitbekommen, dass er eins unterschrieben hat, aber ich kenne seine Absichten«, sagte sie. »Die Kinder und ich werden alles erben, wobei seine Tochter, sein Sohn und seine bevorzugte Wohlfahrtsorganisation ebenfalls berücksichtigt werden sollen.«
»Welche ist das?«
»Nuevo Futuro, wobei er sich besonders für ein Projekt namens Los Niños de la Calle interessiert hat.«
»Die Straßenkinder?«
»Warum nicht?«
»Menschen unterstützen wohltätige Organisationen aus einem besonderen Grund. Eine Frau stirbt an Krebs, ihr Mann spendet Geld für die Krebsforschung.«
»Er sagte, dass er nach einer Reise nach
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