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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Silber ist weniger rein. Das erkennt man schon daran, dass das Material grauer ist, vielleicht eine 20-Prozent-Legierung im Gegensatz zu den 7,5 Prozent des Originals.«
    »Wo würde man solches Silber bekommen?«
    »Es ist bestimmt nicht aus Europa. Niemand würde es akzeptieren. Wenn Sie mir erzählen, Sie hätten es in Sevilla oder Andalusien gefunden, würde ich sagen, dass es wahrscheinlich aus Marokko kommt. Dort benutzt man Silber diesen Grades, und vieles davon kommt in Form von Billigschmuck zu uns. Wenn man den Ring abstreift, hinterlässt er einen grau-grünen Abdruck am Finger. Das liegt an dem höheren Kupferanteil in dem Silber.«
    »Und was ist mit dem Originalring?«, fragte Falcón. »Woher stammt der?«
    »Vor Gericht könnte ich das natürlich nicht beweisen, weil er keinen Stempel hat, aber meiner Meinung nach ist es ein spanischer Ring aus den 30er Jahren. Damals war es Mode, dass Eltern ihren Töchtern silberne Ringe schenkten, wenn sie zur Frau gereift waren. Es hat sich nicht lange gehalten. Heute sieht man solche Ringe nicht mehr.«

    In der Jefatura ging er direkt zu Felipe und Jorge ins Labor und gab ihnen einen Bogen zusammengedrehtes Zeitungspapier, das ein wenig von der gemahlenen Substanz aus der Urne enthielt, die er zu Hause entdeckt hatte.
    Ramírez und der Rest der Truppe warteten im Büro. Ramírez reichte die Liste herum, die er aus Salgados Unterlagen zusammengestellt hatte. Es waren mehr als 40 Künstler, die er in drei Wahrscheinlichkeitsstufen unterteilt hatte.
    »Das sind aber eine Menge Namen«, wunderte sich Falcón.
    »Das sind nicht nur Salgados Klienten oder die Künstler, die von ihm abgewiesen wurden«, erklärte Ramírez, »Greta hat die Liste aufgesetzt, und darauf steht jeder aus Sevilla und Umgebung, der in der Kunstszene durch die Verwendung von Film, Video oder anderer Technologie aufgefallen ist. Eine entsprechende Liste will sie uns auch für Madrid zusammenstellen.«
    Ramírez reichte Falcón sechs Blätter, die dieser auf den Schreibtisch legte. Dort lag auch ein an ihn adressierter Brief, den er zunächst ignorierte.
    »Ich denke, ihr solltet immer nur paarweise daran arbeiten«, sagte Falcón. »Der Mörder ist gefährlich und könnte unseren Besuch erwarten … wenn er auf dieser Liste steht. Wir suchen einen Mann, etwa 1,80 Meter groß, circa 70 Kilo schwer, mit dunklem Teint. Vielleicht hat er fremdes Blut in den Adern, möglicherweise nordafrikanisches. Er spricht Französisch und hat eventuell sogar irgendwann eine französischsprachige Ausbildung genossen, obwohl er Spanier ist und unsere Sprache perfekt spricht. Die zurzeit wichtigsten Erkennungszeichen dürften eine Bisswunde am Zeigefinger der rechten Hand sowie möglicherweise Kratzer oder Blutergüsse auf den Knöcheln der linken sein.«
    Falcón hielt den Beutel mit dem Ring hoch. »Dies wurde im Siphon des Waschbeckens in Salgados Haus gefunden. Es ist ein Frauenring, der erweitert wurde, um auf den kleinen Finger eines Mannes zu passen. Das Silber, mit dem der Ring erweitert wurde, ist minderwertig und möglicherweise nordafrikanischen Ursprungs. Das bedeutet nicht, dass wir ausschließlich nach einem männlichen Nordafrikaner suchen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass unser Mann eingebürgerter Spanier ist, vielleicht sogar gebürtiger. Lassen Sie sich Ihren Blick also nicht verengen. Ich will keine Beschwerden wegen Rassendiskriminierung hören. Inspector Ramírez wird Ihnen Ihre Einsätze zuteilen.«
    Als Ramírez die Männer ins Vorzimmer führte, öffnete Falcón den Brief auf seinem Schreibtisch. Es war die Aufforderung, um 9.30 Uhr zu einem Termin bei Dr. David Rato in der Jefatura zu erscheinen. Er rief Ramírez zurück in sein Zimmer und fragte ihn, wer der Arzt war.
    »Das ist der Polizeipsychologe«, sagte Ramírez.
    »Er will mich sehen.«
    »Wahrscheinlich bloß eine Routineuntersuchung.«
    »Ich bin noch nie zu ihm bestellt worden.«
    »Beamte in Situationen mit hohem Stressfaktor werden zu Untersuchungen gebeten«, sagte Ramírez. »Ich hatte vor drei Jahren einen Termin, nachdem ich einen Verdächtigen erschossen hatte.«
    »Ich habe niemanden erschossen.«
    Ramírez zuckte die Achseln. Falcón erinnerte ihn an das Treffen mit Juez Calderón am Mittag. Danach ging Ramírez und nahm den Rest der Truppe mit. Falcón rief in Lobos Büro an, doch der war den ganzen Tag außer Haus. Schweißgebadet ging er zur Toilette, wusch sich Gesicht und Hände und nahm eine Orfidal.
    Die

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