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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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dachte, er sollte wissen, was geschehen ist.«
    »Damit er sich vorbereiten kann?«
    »Von weitem betrachtet könnte man Basilio Lucena für einen intelligenten Mann halten, Inspector Jefe. Auf jeden Fall ist er gebildet und kultiviert. Doch seine Intelligenz ist auf einen engen Frequenzbereich eingestellt, seine Kultiviertheit vermag nur eine kleine Schar zu bewundern. Die fehlende berufliche Herausforderung hat ihn träge gemacht. Haus und Auto haben seine Eltern bezahlt, er muss niemanden versorgen, und sein Einkommen ermöglicht ihm einen verantwortungslosen Lebensstil. Er ist kein Mensch, der je für sich selber geradestehen musste, schon weil er die meiste Zeit in der Waagerechten verbringt. Klingt das für Sie wie nach einem Mörder?«
    Falcóns Handy klingelte. Pérez erstattete ausführlich Bericht über die von den Überwachungskameras aufgenommenen Unbekannten. Zwei positive Identifizierungen, eine Person negativ; das Bild von dem Mädchen, von dem sie annahmen, dass es die Prostituierte war, hatte man an die Sitte weitergereicht. Er trug Pérez auf, an der Spur des Mädchens dranzubleiben, und befahl Fernández, nach dem Mittagessen noch einmal die Wohnungen abzuklappern.
    Der Moment mit Consuelo Jiménez war verstrichen. Also fädelte er sich in den Verkehr ein, wendete und fuhr in Richtung Fluss. Er warf einen Blick auf seine Geisel, spürte einen kritischen Moment und hatte mit einem Mal das Gefühl, dass das Ganze noch vor seinem ersten Treffen mit Juez Calderón vorüber sein könnte. So lief eine Ermittlung seiner Erfahrung nach. Entweder war nach 24 Stunden alles vorbei oder sie mussten sich auf eine monatelange, trostlose Durststrecke einrichten.
    »Bringen Sie mich zurück zur Wohnung?«, fragte sie.
    »Sie sind eine intelligente Frau, Doña Consuelo.«
    »Ihre Chance, mir zu schmeicheln, haben Sie lange verpasst.«
    »Sie verbringen Ihr Leben unter Menschen«, sagte er. »Sie verstehen sie. Ich glaube, Sie verstehen auch die Anforderungen meines Jobs.«
    »Also dass Sie so widerlich argwöhnisch sein müssen.«
    »Wissen Sie, wie viele Morde pro Jahr in Sevilla begangen werden?«
    »In der Stadt der Freude?«, gab sie zurück. »In der Stadt, in der die Menschen auf den Straßen in die Hände klatschen, in der Stadt von cervecitas y tapitas con los amigos , in der Stadt der wirklich schönen Menschen, de los guapos, des los guapísimos ? In der göttlichen Stadt der Heiligen Jungfrau?«
    »In Sevilla.«
    »Ein paar tausend«, sagte sie, die Zahl mit ihren beringten Fingern in den Raum werfend.
    »15«, erwiderte er.
    »Rufmord ist auch eine Art Mord.«
    »In den meisten Fällen sind Drogen verantwortlich. Der kleine Rest wird unter ›häusliche Gewalt‹ oder ›Verbrechen aus Leidenschaft‹ abgebucht. Und bei all diesen Morden – bei allen , Doña Consuelo – kannten Opfer und Täter einander, und in den meisten Fällen standen sie sich auch nahe.«
    »Dann haben Sie es hier mit einer Ausnahme zu tun, Inspector Jefe, denn ich habe meinen Mann nicht umgebracht.«
    Sie fuhren durch die Unterführung bei dem alten Bahnhof an der Plaza de Armas und über die Paseo Cristóbal Colón weiter am Flussufer entlang, vorbei an der Stierkampfarena Maestranza, der Oper und dem Torre del Oro. Die Sonne glitzerte auf dem Wasser, die hohen Platanen standen in voller Blüte. Es war nicht der Zeitpunkt, um einen Mord zu gestehen und ein Leben voller Frühlinge hinter Gittern zu verbringen.
    »Leugnen ist ein machtvoller menschlicher Zustand …«, sagte er.
    »Da bin ich überfragt, ich habe noch nie etwas geleugnet.«
    »… weil es keine Zweifel gibt … nie.«
    »Entweder bin ich eine Lügnerin oder das Opfer grandioser Selbsttäuschung«, sagte sie. »Ich kann nicht gewinnen, Inspector Jefe. Aber zumindest sage ich mir selbst immer die Wahrheit.«
    »Aber sagen Sie auch mir die Wahrheit, Doña Consuelo?«, fragte er.
    »Bis jetzt schon … aber vielleicht überlege ich es mir ab sofort anders.«
    »Ich weiß nicht, wie Sie die ehemaligen Liebhaberinnen Ihres Mannes davon überzeugt haben, dass Sie ein dummes Mäuschen sind.«
    »Ich habe mich wie eins angezogen«, sagte sie und klimperte mit den Wimpern. »Und ich kann auch so reden, wenn ich will.«
    »Sie sind eine vollendete Schauspielerin.«
    »Mit andern Worten: Alles spricht gegen mich.«
    Ihre Blicke trafen sich. Seine Augen waren sanft und braun wie Tabak, ihre gefrorene Aquamarine. Er lächelte. Er konnte nicht anders, als sie zu mögen. Diese

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