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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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bin nicht selbst drangegangen. Ich hab gearbeitet … aber es muss so gegen Mitternacht gewesen sein. Der erste Anruf.«
    »Der erste Anruf?«
    »Er wollte nur mit mir sprechen und hat deswegen um Viertel nach zwölf noch mal angerufen. Er hat gesagt, ich soll in seine Wohnung kommen. Ich habe ihm erklärt, dass ich auf der Plaza einen Haufen Geld verdienen würde, und er hat mich gefragt, wie viel ich haben wollte. Hunderttausend, habe ich ihm gesagt.«
    Ramírez lachte laut auf.
    »Typisch Semana Santa«, meinte er. »Die Preise sind einfach lächerlich.«
    Das Mädchen lachte auch und entspannte sich ein wenig.
    »Erzähl mir nicht, dass er das bezahlt hat«, sagte Ramírez.
    »Wir haben uns auf fünfzig geeinigt.«
    »Joder.«
    »Wie sind Sie dorthin gekommen?«, fragte Falcón in dem Versuch, wieder sachlicher zu werden.
    »Mit dem Taxi«, sagte sie und zündete sich eine Fortuna an.
    »Um wie viel Uhr hat es Sie dort abgesetzt?«
    »Kurz nach halb eins.«
    »War irgendjemand in der Nähe?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Und im Haus?«
    »Ich habe nicht mal den Pförtner gesehen, worüber ich ziemlich erleichtert war. Im Fahrstuhl war niemand und auf der Etage auch nicht, und er hat mir die Tür aufgemacht, bevor ich geklingelt habe, als hätte er mich durch den Spion beobachtet.«
    »Haben Sie gehört, wie er die Tür aufgeschlossen hat?«
    »Er hat sie bloß aufgemacht.«
    »Hat er abgeschlossen, nachdem Sie drin waren?«
    »Ja, das hat mir nämlich nicht gefallen, aber er hat die Schlüssel stecken lassen, deshalb habe ich nichts gesagt.«
    »Was ist Ihnen an der Wohnung aufgefallen?«
    »Sie war fast leer. Er hat gesagt, er würde umziehen. Ich habe ihn gefragt, wohin, aber er hat nicht geantwortet. War wohl beschäftigt.«
    »Erzählen Sie uns alles der Reihe nach.«
    Sie schüttelte den Kopf mit einem Lächeln, das zu sagen schien, dass doch alle Männer auf der Welt gleich waren.
    »Ich bin ihm durch den Flur in sein Arbeitszimmer gefolgt. In der Ecke stand ein Fernseher, in dem ein alter Film lief. Er hat ein Video aus dem Schreibtisch genommen und es in den Rekorder geschoben. Dann sollte ich einen dicken, knielangen, blauen Rock und einen blauen Pullover über meine weiße Bluse anziehen und meine Haare zu Zöpfen binden. Ich habe eine Perücke mit langen schwarzen Haaren getragen«, erklärte sie. »Er stand mehr auf Brünette.«
    »Haben Sie gesehen, dass er eine Pille genommen hat?«
    »Nein.«
    »Ist Ihnen bis auf die Tatsache, dass die Wohnung leer war, sonst noch etwas Merkwürdiges aufgefallen?«
    »Was zum Beispiel?«
    »Irgendetwas, das Sie nervös gemacht hat vielleicht?«
    Sie überlegte und gab sich erkennbar Mühe. Dann hob sie einen Finger, und die beiden Männer beugten sich vor.
    »Er hatte keine Schuhe an«, sagte sie, »aber das hat mich nicht direkt in Panik versetzt.«
    Sie sanken auf ihre Stühle zurück.
    »Hey! Das ist nicht meine Schuld. Ihretwegen soll ich irgendwas gesehen haben, wo gar nichts war.«
    »Weiter«, sagte Ramírez.
    »Ich habe nach meinem Geld gefragt. Also hat er mir einen Packen 5000-Peseten-Scheine gegeben, die ich gezählt habe. Dann hat er die Fernbedienung genommen und den Porno gestartet. Er hat seine Hose ausgezogen, das heißt, er hat sie runtergelassen und ist rausgestiegen. Und dann haben wir losgelegt.«
    »Was war mit den Fenstern?«, fragte Ramírez.
    »Was soll damit gewesen sein?«
    »Sie haben auf die Fenster geguckt.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Er nimmt an , dass Sie in die Richtung der Fenster gesehen haben«, sagte Falcón.
    »Die Vorhänge waren zugezogen«, sagte sie, argwöhnisch geworden.
    »Sie hatten also Sex mit ihm«, sagte Ramírez. »Wie lange hat es gedauert?«
    »Länger, als ich erwartet habe.«
    »Haben Sie sich deswegen umgedreht?«
    Ihre braunen Augen wurden hart. Das waren nicht die üblichen Spielchen.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie.
    »Inspector Ramírez«, gab er trocken zurück.
    »Wir sind von der Grupo de Homicidios«, sagte Falcón.
    »Jemand hat ihn ermordet?«, fragte sie, von einem zum anderen Mann blickend. Die beiden nickten.
    »Und der Mörder war in der Wohnung, während Sie mit Ihrem Freier zusammen waren.«
    Sie riss die Zigarette aus ihrem Mund und atmete schwer aus.
    »Woher wissen Sie das?«
    Ramírez hatte das Video vorbereitet und startete es per Fernbedienung, sodass auf dem Bildschirm sofort der leere Flur mit dem verwaisten Haken und dem Lichtstreifen aufflackerte, während man auf der Tonspur die

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