Der Blitz der Liebe
und von dem er weggelaufen war. Dann war er zum Militär gegangen. Er betrachtete Lord Heywood, seit er sein Offiziersbursche war, als Mittelpunkt seiner ganzen Existenz.
»Ob Kaserne oder nicht«, sagte Lord Heywood laut, »jedenfalls werden du und ich in nächster Zeit hier leben, und ich verspreche dir, daß wir es immerhin behaglicher als letzte Nacht haben werden.«
»Nun, Mylord, wir werden das Beste daraus machen«, sagte Carter.
Lord Heywood trieb sein Pferd an.
Es war sehr still im Stall; und in dem Häuschen, von dem er wußte, daß Merrivale und seine Frau darin lebten, waren die Vorhänge noch zugezogen.
Nachdem sie die Pferde im Stall abgeschirrt und mit Wasser versorgt hatten, gingen Lord Heywood und Carter auf den hinteren Eingang des Schlosses zu.
»Es kann sein, daß wir nicht hineinkommen«, sagte Lord Heywood, »dann muß ich Merrivale doch wecken. Er ist aber ein sehr alter Mann, und so würde ich lieber abwarten und erst dann zu ihm gehen, wenn er angezogen ist, da er erschrecken könnte, wenn er mich sieht.«
»Ich werde schon einen Weg hinein finden, Mylord.«
Die Hintertür war versperrt, aber ein Fenster stand halboffen, und Carter kletterte hindurch. Nachdem Lord Heywood es Carter überlassen hatte, in der Küche nach etwas Eßbarem zu suchen, ging er den Korridor entlang, der durch eine mit grünem Fries bespannte Tür zum repräsentativsten Teil des Schlosses führte.
Sämtliche Vorhänge waren zugezogen. Seitlich von ihnen drang jedoch das schwache Licht der Sonne, die noch nicht ganz aufgegangen war, herein.
Lord Heywood warf einen Blick in das riesige Speisezimmer, in dessen Mitte eine lange Tafel stand, an der leicht fünfzig Personen auf einmal Platz fanden.
Alles war mit einer dicken Schicht Staub bedeckt, und weil der Gedanke, daß er nie in der Lage sein würde, hier Gäste zu bewirten, bedrückend war, ging er weiter.
Er machte um die größeren Räume einen Bogen und kam zu dem kleinen Salon, den sein Vater und seine Mutter täglich benutzt hatten, während die Prunkzimmer für besondere Anlässe bestimmt waren.
Im kleinen Salon waren die Vorhänge zugezogen, und er konnte nur die Umrisse der Möbel, die mit Staubdecken aus Leinwand bedeckt waren, ausmachen.
Er ging wieder weiter und kam jetzt an die Tür zur Bibliothek mit ihren hohen Bücherregalen und der Galerie, zu der er als Kind auf einer Wendeltreppe hinaufzuklettern pflegte.
Aber statt einzutreten, wandte er sich der Treppe zu, die in den ersten Stock hinaufführte.
Vor ihm lag der große Salon, in dem seiner Erinnerung nach seine Eltern einmal den Prinzen von Wales zu Gast gehabt und in dem sie Gesellschaften gegeben hatten, zu denen die gesamte Grafschaft herbeigeströmt war.
Auch hier war alles in Staubdecken gehüllt, und er sagte sich, daß er später zurückkommen, die schweren Vorhänge aufziehen und das Sonnenlicht hereinlassen würde.
Er ging den breiten Korridor hinunter, um die Zimmersuite aufzusuchen, in der seine Eltern zu schlafen pflegten. Er öffnete die Tür zum Schlafzimmer seines Vaters, das ihm genauso groß erschien, wie er es in Erinnerung hatte, und trat an eines der Fenster, um die Vorhänge zurückzuziehen.
Um das große Himmelbett hingen immer noch die karmesinroten Brokatvorhänge. Das Familienwappen an seinem Kopfende hatte die Frau des zweiten Barons vor mehr als hundert Jahren gestickt, als er sie verlassen hatte, um mit dem Herzog von Marlborough in den Krieg zu ziehen.
Lord Heywood konnte sich an jedes einzelne Möbelstück und an alle Gemälde erinnern. Er blickte sich um und spürte förmlich, wie ihn der Geist seines Vaters zu Hause willkommen hieß. Dann ging er auf die Verbindungstür zu, die in das Zimmer führte, in dem seine Mutter geschlafen hatte.
Sie war gestorben, als er in Portugal gedient hatte, und er hatte keine Möglichkeit gehabt, nach Hause zu fahren. Er dachte jetzt daran, wie schön sie gewesen war und wie sehr er sie sogar jetzt noch vermißte. Es war ein Schmerz, mit dem er nicht gerechnet hatte, der etwas Kindliches an sich hatte.
Die Verbindungstür ließ sich nicht öffnen, und Lord Heywood vermutete, daß sie sein Vater vielleicht nach dem Tod seiner Mutter zugeschlossen hatte. Er ging in den Korridor zurück und versuchte die Tür, die von dort in das Zimmer führte, zu öffnen, aber auch diese war versperrt.
Er spürte einen gewissen Ärger in sich aufsteigen, daß es ihm verwehrt war, das Zimmer seiner Mutter jetzt gleich zu betreten. Er
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