Der Blitz der Liebe
danach fragen würden«, antwortete Mr. Crosswaith, »und habe deshalb eine Liste der veräußerlichen Vermögenswerte aufgestellt. Ich fürchte, es sind nur sehr wenige.«
Lord Heywood runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das – wenige?«
Mr. Crosswaith hüstelte, als wolle er sich rechtfertigen. »Eure Lordschaft müssen sich darüber im klaren sein, daß Ihr Großvater, der fünfte Baron, den gesamten Familienbesitz in ein unveräußerliches Erblehen umgewandelt hat, das nur aufgelöst werden kann, wenn drei Erben des Besitzes gleichzeitig am Leben sind.«
»Davon hatte ich keine Ahnung.«
»Ich habe Eurer Lordschaft die Urkunden zur Einsichtnahme mitgebracht.«
»Ich bin durchaus gewillt, Ihnen zu glauben, Mr. Crosswaith. Was Sie damit sagen wollen, ist, daß ich weder Heywood House in London noch Heywood Abbey auf dem Land verkaufen kann und auch wenig oder nichts von der Innenausstattung.«
»Genau so ist es, Mylord«, meinte Mr. Crosswaith.
Lord Heywood trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. Er fragte sich, wie er von nichts leben sollte, denn darauf liefen die Nachrichten, die ihm Crosswaith gebracht hatte, letzten Endes hinaus.
Wenn er zurückblickte, konnte er sich erinnern, wie glänzend der Familienbesitz in Buckinghamshire dastand, als er ein Junge war.
Die Pächter waren wohlhabend, die Landarbeiter lächelten zufrieden. Der Stall neben dem Schloß stand voller Pferde, und in der säulengeschmückten Halle wartete ein halbes Dutzend junger Lakaien auf Befehle. Draußen machte eine ganze Armee von Gärtnern, Jägern und Wildhütern das Heywoodsche Gut zu einer der beneidenswertesten Besitzungen im ganzen Land.
Man konnte sich gar nicht vorstellen, daß nichts davon übrig war.
Er sagte sich, daß es unmöglich sei und daß Mr. Crosswaith wohl übertrieb.
»Ich kann Ihnen versichern, Mylord, daß ich mich sehr sorgfältig umgesehen habe. Aber ich muß Ihnen noch einmal zu meinem Bedauern sagen, daß wenig oder gar nichts da ist, was Eure Lordschaft verkaufen könnten.«
»Wie steht es mit den Bäumen?«
»Die brauchbaren wurden schon während der ersten Kriegsjahre abgeholzt. Die übrigen sind entweder zu alt oder zu jung und für den Schiff- oder Hausbau nicht geeignet.«
»Es muß doch etwas da sein!« sagte Lord Heywood. So sehr er auch versuchte, seiner Stimme nichts anmerken zu lassen, es schwang doch eine gewisse Verzweiflung in ihr mit.
Er wußte, daß er selbst ebenfalls Schulden gemacht hatte. Es handelte sich um eine ziemlich große Summe, da sein Geldbeutel im letzten Jahr sehr in Anspruch genommen worden war.
Allerdings war es nicht so, daß er das Geld für die schönen, aber habgierigen Frauen, von denen es in Paris wimmelte, ausgegeben hatte, sondern er hatte vielen seiner Offizierskameraden geholfen, von denen er damals annahm, daß sie in einer weit schlimmeren Situation waren als er selbst.
»Ich komme zu Hause an, ohne auch nur einen Pfennig in der Tasche zu haben!« hatte sich einer seiner Männer bitter beklagt.
»Ruiniert, kaputt, in der Klemme«, hatte ein anderer Mann zu ihm gesagt. »Das kommt davon, wenn man für seinen König und sein Vaterland kämpft, während die, die zu Hause geblieben sind, in Saus und Braus leben.«
Er hatte ein Darlehen hier gegeben und ein Darlehen da und nicht erwartet, je wieder etwas von seinem Geld zu sehen. Doch war dies ein Preis, den Lord Heywood mit Freuden für die Freundschaft, den Gehorsam und die Bewunderung, die ihm die jüngeren Männer im Krieg und während der Besatzungszeit entgegengebracht hatten, gezahlt hatte. Jetzt erkannte er, daß er zu großzügig gewesen war und seine Verpflichtungen seinen eigenen Leuten gegenüber vergessen hatte, deren ganzes Leben sich um das große Haus gedreht hatte.
Er merkte, daß ihn Mr. Crosswaith voller Sorge anblickte. »Ich reite sofort nach Heywood Abbey«, sagte er, »und will sehen, was ich tun kann. Wollen Sie mir etwa sagen, daß nichts auf der Bank ist?«
»Meine Partner und ich, Mylord, haben nach dem Tod Ihres Vaters Ihre Wünsche erfüllt: Wir haben die Pensionäre bezahlt und die Löhne der Diener, die geblieben sind, bis sie eine andere Stellung finden konnten.«
»Wie viele sind noch in London?« fragte Lord Heywood.
»Nur der Butler und seine Frau, die eigentlich zu alt sind und in den Ruhestand versetzt werden sollten, wenn sich ein Häuschen für sie findet, der Stiefelputzer, der dreiundsiebzig ist, und der Aushilfsdiener, der meiner Ansicht nach auf
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