Der blonde Vampir
Überraschung aus. Ich gehe ein paar Schritte auf ihn zu. »Was ist los?«
»Diese Datei enthält kaum Informationen.«
»Kannst du ihr entnehmen, wer diese Alisa Perne ist?«
»Leider nicht. Hier steht nur etwas über die Person, die meinem Daddy den
Auftrag erteilt hat.«
»Das ist doch schon was.«
»Ist es nicht, weil sogar dieser Text mitten im Satz abbricht.« Ray runzelt die
Stirn. »Merkwürdig, daß mein Vater eine solche Akte angelegt hat. Ich frage
mich, ob sich jemand daran zu schaffen gemacht hat. Ich könnte schwören…« Er
sieht mich an.
»Was?« frage ich.
Er blickt wieder auf den Bildschirm. »Ach, nichts.«
»Nein, Ray, jetzt mußt du’s mir auch sagen. Was könntest du schwören?« Ich
überlege, ob er vorhin gesehen hat, wie groß die Datei war. Sie hat wirklich beträchtlich an Umfang verloren.
Ray schüttelt den Kopf.
»Ich weiß nicht«, murmelt er. »Ich bin auch müde. Am besten, ich sehe mir
das Ganze morgen genauer an.« Er schließt die Datei und schaltet den Computer
aus.
Eine halbe Stunde später bin ich zu Hause – in meinem richtigen Heim, der Villa hoch oben über dem Ozean. Ich bin hierhin gefahren, weil ich nur hier einen Computer habe. Schließlich will ich so schnell wie möglich wissen, was auf den Disketten ist.
Mein Abschied von Ray war kurz. Ein Gutenachtkuß, nicht mehr. Ich weiß immer noch nicht genau, was er fühlt und denkt. Sicher mißtraut er mir irgendwie, aber da sind noch andere Emotionen, die wichtiger sind. Er fühlt sich zu mir hingezogen und empfindet eine Mischung aus Angst und Freude dabei. Seltsam, nicht? Gleichzeitig sorgt er sich um seinen Vater – jetzt, nachdem er im Büro war, noch mehr als zuvor.
Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, die Alisa-Perne-Akte zu laden. Wenig später kann ich die Informationen auf dem Bildschirm lesen. Bevor er mich zu sich ins Büro gebeten hat, hat Mr. Riley mich für sage und schreibe drei Monate beobachtet. Das, was er über mich in Erfahrung gebracht hat, wechselt ab mit kurzen Notizen und Bemerkungen bezüglich seiner Korrespondenz mit jemandem namens ›Mr. Slim‹. Slims Name ist mit einer Fax-Nummer versehen, jedoch nicht mit einer Telefonnummer. Bei der Fax-Nummer dürfte es sich um einen Büroanschluß in der Schweiz handeln. Ich merke sie mir und gehe dann weiter die Akte durch. Das, was sich Riley zu seinem ersten Kontakt mit dem Auftraggeber notiert hat, ist interessant. Aber nirgendwo finde ich die Kopie einer Nachricht von Mr. Slim, immer nur Rileys Bemerkungen dazu.
8. August
An diesem Morgen habe ich ein Fax von einem Herrn namens Mr. Slim erhalten. Er bezeichnet sich selbst als Anwalt einiger besonders wohlhabender europäischer Klienten. Er hat mich beauftragt, eine junge Frau namens Alisa Perne zu beschatten, die hier in Mayfair lebt. Er hat nur wenige Informationen über diese Frau – wahrscheinlich ist sie nur eine von mehreren Personen, für die er oder seine Firma sich interessieren. Er erwähnte gleichzeitig einige andere Frauen, über die er vielleicht später ein paar Informationen von mir haben möchte, aber er nannte keine Namen. Besonders interessiert er sich für Miss Pernes finanziellen Hintergrund, ihre familiären Verhältnisse und – die Frage hat mich ziemlich erstaunt – ob jemand aus ihrem Bekanntenkreis vor kurzem durch Gewalteinfluß gestorben ist. Als ich ihn per Fax fragte, ob diese Frau gefährlich sei, deutete er an, daß sie entschieden gefährlicher sei, als sie scheine, und daß ich sie unter keinen Umständen persönlich kontaktieren solle. Er sagte, daß sie sehr jung wirke – wie achtzehn oder zwanzig.
Das alles hat mich neugierig gemacht, zumal sich Mr. Slim bereit erklärt hat, mir für meine Bemühungen schon jetzt zehntausend Dollar zu hinterlegen. Ich habe ihm natürlich sofort mitgeteilt, daß ich den Fall übernehme. Ich habe die Adresse der jungen Frau und ihre Sozialversicherungsnummer. Ich habe keine Fotos, aber selbstverständlich werde ich mir eines für meine Unterlagen besorgen, obwohl Mr. Slim mich vor ihr gewarnt hat. Wie gefährlich kann ein Mädchen in diesem Alter schon sein?
Dann folgte eine Zusammenfassung der Ergebnisse von Mr. Rileys einleitender Untersuchung. Wahrscheinlich kennt er ein paar Leute in den richtigen Positionen, die ihm Zugang zu einigen Informationen verschafft haben, die nicht jeder erhält. Wahrscheinlich hat Slim den Kontakt hergestellt und Riley nur zu diesem Zweck beauftragt. Riley hatte sofort herausgefunden, daß
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