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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sein, für den ganzen Tag reichen?«
    O Gott, was ist jetzt los? Theo war nicht gerade ein Schnellmerker, aber hier war offensichtlich etwas im Gange, das sehr nach Eifersucht roch. Und das von einer winzigen Person, die ihm erklärt hatte, sie finde ihn flach und egoistisch? Er nahm das Schnapsglas – ein kleineres hatte es nicht gegeben – aus der Tasche und stellte es neben sie. »Ich dachte, du und ich könnten teilen.«
    Sie war ein wenig versöhnt, aber nicht sehr. »Das teilen? Was ist das?«
    Er zuckte die Achseln und wandte sich an Poppi Stechapfel, die ihren Drink mit sichtlichem und leicht affektiertem Behagen schlürfte. »Ich habe das gleiche genommen wie du, aber ich weiß nicht, was es ist.«
    »Es heißt Flügelstutzer – ein gräßliches Proletenzeug. Ich liebe es.« Sie nahm Apfelgriebs’ Zucken wahr, aber schien sich den Grund nicht erklären zu können. »Größtenteils Weißdornlikör und Granatapfelsaft, dazu eine klitzekleine Prise Alraunwurzel und noch etwas, das ich gerade vergessen habe. Und ein bißchen Honigzucker am Glasrand natürlich.« Sie tat einen langen, genießerischen Schluck.
    Apfelgriebs schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß mir im Moment der Sinn schon wieder nach gegorenen Beeren steht«, sagte sie leise zu Theo. »Vielen Dank.«
    »Vater kann es nicht leiden, wenn ich in der Öffentlichkeit trinke«, teilte die junge Frau mit. Die eindrucksvollen Backenknochen bekamen beide einen winzigen Farbtupfer. »Vater kann es nicht leiden, wenn ich irgend etwas in der Öffentlichkeit mache.«
    »Du hast gesagt, du fährst zu einer Beerdigung, war es nicht so?« Theo kratzte sich am Kopf – die Frau verwirrte ihn mit ihrer sprunghaften Art. Er nahm sein Glas und kostete vorsichtig. Es schmeckte eigenartig, recht bitter auf der Zunge, in überraschendem Kontrast zu dem Honigaroma, aber durchaus vergleichbar mit den ausgefalleneren Cocktails, die sich einige seiner früheren Freundinnen vor Catherine gern bestellt hatten. Es löste ein leises Summen im Hinterkopf aus, und auf einmal meinte er sich auch zu erinnern, daß Alraunwurzel einen vergiften konnte. Er stellte das Glas wieder ab.
    »Ach ja, die Beerdigung.« Poppi verdrehte erneut die Augen. »Scheußlich, die ganze Sache. Es ist mein Bruder Orian. Er kam in einer Hafenspelunke ums Leben. Man sagt, es sei ein Goblin gewesen. Würde mich nicht wundern.« Sie mimte ein wohliges Erschauern wie eine, die sich an einen besonders guten Horrorfilm erinnert. »Das Ganze ist eine entsetzliche Zeitverschwendung. Ich hasse es, während der Feiertage zu reisen.«
    Apfelgriebs wäre beinahe von ihrem Salzstreuer gerutscht. »Dein Bruder? Dein Bruder wurde getötet, und du sagst, die Beerdigung ist eine Zeitverschwendung?«
    Der Blick, den sie sich dafür einfing, war ein Mittelding zwischen Entrüstung und Belustigung. »Du hast ihn nicht gekannt, meine Gute. Ein garstiger, gemeiner Junge, schon als wir alle noch klein waren.« Sie sah Apfelgriebs an. »Ups. Ich wollte nicht unhöflich sein. Als wir noch jung waren, hätte ich sagen sollen. Jedenfalls quälte er meine Schwestern und mich. Er brachte mein kleines Hündchen um. Absichtlich, vor meinen Augen.« Ihre Stimme war sehr hart geworden. »Und als er aus der Schule kam, wurde er noch schlimmer. Doch er war Vaters Augapfel, und deshalb tun alle in der Familie furchtbar traurig.« Sie machte eine abwinkende Handbewegung. »Nennt mich herzlos, wenn ihr wollt. Vater hat darauf bestanden, daß ich zur Beerdigung komme, also bin ich gefahren.« Sie starrte eine Weile ihren Drink an, dann schaute sie plötzlich zu Theo auf. »Wie wär’s, wenn du mit zur Beerdigung kommst? Wir müßten nicht lange bleiben. Sie wird in der Familiengruft in Mitternacht stattfinden, ganz in der Nähe der Bäume. Ich kenne einen sehr netten Privatclub keine Stunde von dort entfernt, in Nachtstund. Wir könnten uns absetzen.« Sie leerte ihr Glas und stellte es hart auf den Tisch, und dabei fixierte sie Theo mit fiebrigem Interesse. Er hatte den starken Eindruck, daß dies nicht ihr erster Drink des Tages war. »Ich bin sicher, deine kleine Freundin hat andere Sachen in der Stadt zu tun. Hättest du nicht Lust, dich ein bißchen mit mir zu amüsieren?«
    Ihm fiel keine andere Antwort ein, als sprachlos zu blinzeln. Sie mußte meinen, daß er mit ihr in Zeichensprache zu kommunizieren versuchte. Irgendwie hatte sie etwas morbid Überspanntes; sie war schön, aber offensichtlich auch ein wenig labil –

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