Der Blumenkrieg
abgedunkelten Abteils preßte wie ein schmieriger Daumen und sie mit ohnmächtiger Wut anstarrte.
»Das war er«, sagte Apfelgriebs. »Wir haben es geschafft, fürs erste jedenfalls.«
»Sieh mal, da sind unsere charmanten Schutzleute«, bemerkte Poppi fröhlich. Die Reisenden, die den Bahnsteig hinunter zum Bahnhofsgebäude strömten, wichen den beiden gepanzerten Gestalten aus, als ob diese große Steine in einem Bachlauf wären.
»Ich denke, es ist besser, wenn sie uns nicht sehen«, meinte Theo. »Auf deinem Fahrschein muß gestanden haben, daß du bis in die Stadt fährst.«
»Da hast du vermutlich recht …«
Theo nahm ihre Hand – sie war kühl wie Marmor – und zog Poppi zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er hielt den Kontakt nicht lange, obwohl sie sichtlich nichts dagegen hatte. Sie blieben vor einem Häuschen stehen, das ihm nach einer Telefonzelle aussah (es hatte keine Aufschrift und konnte genausogut einem ganz anderen Zweck dienen), und warteten. Als die Schutzleute endlich in der Bahnhofshalle verschwunden waren, griff Theo sich Poppis zwei größte Koffer und setzte sich abermals in Bewegung.
»Was hast du da drin?« fragte er schnaufend. »Deine Hausaufgaben für den Bildhauerkurs oder so was?«
Sie lachte. »Schuhe, in dem da.« Sie deutete auf den kleineren Koffer, der immer noch groß genug war, daß Theo das Gefühl hatte, einen Bernhardiner mit einem Griff am Rücken zu schleppen. »Als Frau kann man nicht zwei Wochen nach Hause fahren und keine Schuhe mithaben. In dem anderen sind hauptsächlich Anziehsachen.«
Theo hörte Apfelgriebs dicht hinter seiner Schulter schnauben. Er konnte ihrem Urteil nicht widersprechen. »Habt ihr hier noch keine Koffer mit Rädern erfunden?«
»Aber alle Gepäckträger haben ganz entzückende kleine Räderwagen. Wozu soll man da auch noch an sein Gepäck Räder montieren? Ist das in dieser Saison bei euch in Eberesche modern?«
Theo schüttelte nur den Kopf.
Der Sternenlichter Bahnhof war ungefähr so groß wie der Schattenhofer, nur ohne Kuppel, ein langer, niedriger, scheunenartiger Bau mit einem Stahlträgerdach. Die Lücken zwischen den Trägern waren nicht leer wie die im Schattenhofer Bahnhofsdach, sondern enthielten schimmernde Flächen, ein bewegtes Treiben hauchzarter Farben, das an einen bebenden Seifenblasenfilm erinnerte. Theo fragte erst gar nicht nach. Er hatte für einen Tag genug unerklärliche Merkwürdigkeiten erlebt.
Während er zusah, wie sich die Scharen von adligen und gemeineren Elfen durch die Halle schoben, zog Poppi etwas aus ihrer Handtasche, das wie ein glatter Silberstab aussah, und sprach leise hinein. »Sie werden gleich hier sein«, erklärte sie Theo, als sie fertig war.
»Wer?«
»Na, die Leute vom Mietkutschendienst natürlich. Ich denke, wir sollten nach vorn gehen und dort warten.«
»Dann muß ich erst noch mal zum Lokus«, verkündete Apfelgriebs. »Entschuldigt meine Proletenart, aber Tatsachen sind Tatsachen, und meine Blase fühlt sich an wie ein erschrockener Kugelfisch.« Sie erhob sich in die Lüfte und flog über die Menge hinweg zur nächsten Mauer. Zu Theos Überraschung ging sie dort nicht etwa auf Türhöhe hinunter, sondern tauchte gute drei Meter über dem Boden in ein Loch an der Vorderseite einer kleinen Zelle ein, die etwa die Größe einer Transportkiste hatte und hoch an der Wand angebracht war wie ein Vogelhaus. Nach seinem längeren Aufenthalt in der Zugtoilette hatte sich Theo gefragt, was für Bedürfnisanstalten es wohl für Personen von Apfelgriebs’ Größe gab; jetzt sah er in dem Punkt klarer.
»Ist die Fee eine … Busenfreundin von dir?« wollte Poppi plötzlich wissen. »Eine Liebste?«
»Apfelgriebs?« Er war verdutzt. War die Tatsache, daß er vielleicht hundertmal größer war, nicht Antwort genug? »Nein. Sie ist bloß eine Freundin.« Das klang abwertend. »Eine sehr gute Freundin. Sie hat viel für mich getan.«
»Aha.« Sie nickte und schien zufrieden. »Natürlich. Sonst eine?«
»Wie bitte?«
»Gibt es sonst eine irgendwo? Die auf dich wartet?«
Er dachte an Cat, weit weg und zweifellos mehr als glücklich, ihn vom Hals zu haben. »Nein. Nicht mehr.«
Ihre Miene hellte sich auf und verdüsterte sich gleich wieder. »Du mußt mich für eine kleine Närrin halten.«
»Nein, ganz und gar nicht. Du warst wunderbar zu uns.«
»Ich muß …« Sie schlug die Augen nieder. »Ich muß dir ein Geständnis machen. Weil ich dich mag, Theo, und weil ich
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