Der Blumenkrieg
wenigstens einen Drink nehmen, bevor wir unsere heiße Affäre beginnen.«
Ein Köpfchen von der Größe einer Weinbeere lugte aus Theos Kragen hervor. Es blickte mißgelaunt. »Entschuldige mal, Gnädigste, aber worauf zum Teufel hast du’s eigentlich angelegt?«
»Wieso? Gehört er dir?«
»An sich nicht, nein. Aber ich habe den Auftrag, auf ihn aufzupassen. Habe ich das recht verstanden, daß du eine Stechapfel bist?«
Die junge Frau verdrehte die Augen. »Dafür kann ich nichts. Die Bäume wissen, daß ich lieber in eine normale Familie wie die Levkojen oder die Felberiche geboren worden wäre.«
»Eine normale Familie mit Geld wie Heu, heißt das«, sagte Apfelgriebs leise, doch ihr Gegenüber schien das zu überhören. Theo konnte nur wie betäubt das exotische schwarzhaarige Wesen anglotzen, das ihn gerettet hatte. Noch vor fünf Minuten hatte er dem sicheren Tod ins Auge geblickt, und jetzt war seine kleine Flatterfee offenbar dabei, sich mit dieser glamourösen Gruftiprinzessin darüber zu streiten, ob die Neue ihn in ihr Bett bekam oder nicht.
»Also, wer bist du?« fragte er unvermittelt. »Wie hast du sie dazu gebracht, uns in Frieden zu lassen? Und wer ist … Kwääs?«
»Quäus. Er ist einer unserer Diener. Er begleitet mich oft auf Reisen – deshalb habe ich stets eine Blankofahrkarte für ihn dabei –, aber diesmal mußte er zu Hause bleiben, um der Familie mit den Vorbereitungen für die Beerdigung zu helfen.«
»Beerdigung?«
Sie redete weiter, als ob er nichts gesagt hätte. »Sie haben mir statt dessen meine alte Gouvernante und einen Leibwächter zur Begleitung geschickt, aber ich hatte keine Lust, mir das bieten zu lassen, und deshalb bin ich vor ihrer Ankunft gefahren.«
Verwirrt schaute Theo Apfelgriebs an, die jetzt, wo sie herausgekraxelt war, auf dem Salzstreuer saß und die Füße über dem Tisch baumeln ließ, doch die Fee schüttelte nur den Kopf. Theo fand, daß sie nicht sehr glücklich über den Gang der Ereignisse wirkte, was in Anbetracht der Alternativen etwas merkwürdig war.
»Ihr wißt nichts von der Beerdigung?« wunderte sich die junge Frau. »Sie ist doch in allen Spiegelströmen gekommen. Ich werde euch davon erzählen, aber erst sei ein Held und besorge mir was zu trinken … oh, ich weiß nicht mal deinen Namen!«
»Theo.« Kaum war es heraus, schaute er schuldbewußt Apfelgriebs an, die ihn tatsächlich mit einem finsteren Blick durchbohrte. Tja, jetzt brauche ich mir kein Pseudonym mehr zu überlegen.
»Was für ein seltsamer Name! Klingt, als könnte er aus Esche oder Erle sein – oder aus einer der Bauernfamilien in Weide.« Sie lächelte betörend. »Ich heiße Poppäa, aber alle nennen mich Poppi. Komm, sei mein Fürst Rose und hol mir einen Drink, ja?«
»Ähm, was soll ich dir bringen?« Und wie soll ich es bezahlen, wollte er gleich mitfragen.
»Stell dich nicht so an! Der Barkeeper weiß, was ich trinke. Sag ihm einfach, er soll es auf meine Rechnung setzen.«
Nachdem dieses Problem gelöst war, machte Theo sich auf den Weg durch den langen, dunklen Wagen. Dankbar stellte er fest, daß die meisten Tische nicht besetzt waren, denn es gab nur etwa zehn andere Gäste, entweder Einzelpersonen oder sich leise unterhaltende Paare. In dem ganzen Salonwagen herrschte eine gedämpfte Atmosphäre, die er nur von seinen Blumenlieferungen in den höchsten Chefetagen kannte – die Stille von Leuten, die sich mit Geld abschirmen konnten. Fast alle im Wagen waren am attraktiven menschlichen Ende des Elfenspektrums angesiedelt. Sie müssen eine andere Bar für Pöbel wie mich und die Typen mit Flügeln und Hufen haben, dachte Theo.
Falls der Mann an der Bar Flügel hatte, waren sie gut versteckt. Er hatte den eindringlichen, düsteren Blick eines Schauspielers, dem schon öfter die Rolle des Jago angeboten worden war. »Für Jungfer Stechapfel, ja?« Er hielt bereits den Cocktailshaker in der Hand. »Für dich auch was, mein Herr?«
»Ja, doch.« Theo merkte, daß er keine Ahnung hatte, was man im Elfenland so miteinander trank. Ob sie hier Wodka hatten? Oder würde es eher so was geben wie Molchaugen, Froschzehen? »Ich nehme das gleiche wie sie.«
Er trug die beiden frostbeschlagenen Gläser und die Shaker auf einem Tablett zum Tisch zurück. Als er auf die Bank glitt, warf ihm Apfelgriebs vom Salzstreuer aus einen harten Blick zu. »Hast du für mich auch was geholt?« fragte sie. »Oder muß mir das schlichte Vergnügen, in deinem Hemd gewesen zu
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