Der Blumenkrieg
wäre.
»Sie singen«, bemerkte Khasigian, als Theo die Schlüssel ans Brett hängte. »Ist das was Gutes?«
»Ich würde sagen, das müssen die Leute entscheiden, die es hören.«
Khasigian warf ihm einen scharfen Blick zu und biß dabei auf seinen Bleistift. Er hatte eine glänzende Glatze wie eine steinalte Schildkröte, doch ansonsten war er für seine über sechzig Jahre erstaunlich fit. Er joggte, kam an heißen Tagen manchmal in Laufhosen in den Laden und nahm es hin, daß die Angestellten respektvolle Witze über seine dünnen braunen Beine machten. »Könnte schlimmer sein. Sie singen okay. Aber ich mag es nicht, wenn meine Angestellten glücklich sind. Nach meiner Erfahrung sind sie weniger tüchtig, wenn sie keine Angst haben.«
»Ein Paradebeispiel für Ihren antiquierten Führungsstil.« Theo pflückte seine treue Lederjacke vom Haken. »Deshalb gewinnen Sie Jahr für Jahr den Dagobert-Duck-Preis, Mr. Khasigian. Demnächst werden Sie diese Trophäe auf Lebzeiten behalten dürfen.«
»Schwirren Sie ab, Sie Sängerknabe! Fallen Sie Leuten auf den Wecker, die nicht soviel zu tun haben.«
Khasigian konnte ein ausgemachter Schweinehund sein, und ganz gewiß überschüttete er seine Beschäftigten nicht mit Geld und Sozialleistungen, aber er war immerhin halbwegs ehrlich und konnte ziemlich gut den rauhen, aber herzlichen Chef mimen, wenn er wollte. Eigentlich zu gut – daran merkte man, daß es nur eine Nummer war.
Theo fuhr mit hochgeklapptem Visier heim in den Sunset District. Der Wind war feucht und warm, und der Blütengeruch in der Luft übertönte sogar die Autoabgase.
M rs. Kraley von nebenan stand im Garten und bewässerte ihre Beete. Theo winkte ihr. Sie winkte nicht zurück, obwohl sie den Schlauch nur mit einer Hand hielt. Mrs. Kraley war ein weiterer Faktor, der den Aufenthalt bei seiner Mutter zu so einer herzerwärmenden Erfahrung machte.
Seine Mutter reagierte nicht auf sein Hallo, als er eintrat. Nach der schrecklichen Nacht, in der er Cat gefunden hatte, machte er sich unwillkürlich Sorgen, wenn jemand sich nicht meldete, und so schaute er nach und fand sie in ihrem Schlafzimmer, wo sie voll angezogen schlummerte, drei Kissen im Rücken und augenscheinlich wohlbehalten, denn die Brust hob und senkte sich mit beruhigender Regelmäßigkeit. Merkwürdig, daß sie tagsüber schlief, aber andererseits kam er selten gleich nach der Arbeit nach Hause.
Er schlenderte in die Küche zurück, holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und begab sich damit in die ordentliche Öde des Wohnzimmers. Wenn er schon in das Haus seiner Eltern zurückkommen mußte, dann hätte es wenigstens das Haus in San Mateo sein sollen, in dem er aufgewachsen war, ein Ort mit Erinnerungen, der Empfindungen in ihm geweckt hätte, wenn auch nur schwermütige Nostalgie. Doch seine Mutter und sein Vater hatten dieses Haus vor weniger als zehn Jahren gekauft, ein Jahr, nachdem Theo ausgezogen und sein Vater in den Ruhestand gegangen war, in einen Ruhestand, den Peter Vilmos nur wenige Jahre genießen konnte, ehe der schwere Schlaganfall seinem Leben ein Ende machte. Sein Bild stand als einziges auf dem Kaminsims, doch der Platz war zu schmucklos, um irgendwie als Altar zu gelten. Zeitweise meinte Theo, seine eigenen Züge in denen seines Vaters zu sehen, schienen ihm das Kinn oder die Backenknochen unbestreitbar die seinen zu sein, doch meistens empfand er den Mann als genetisch so fern, wie er es menschlich gewesen war, ein anständiger Kerl, der einfach zuviel gearbeitet hatte, um noch große Energiereserven für irgendwelche Papanummern übrig zu haben.
Sonst standen oder hingen nirgends Bilder von Pete Vilmos, was aber mehr an Theos Mutter lag als an irgendeinem Fehler seines Vaters. Sie hatte auch nur eines von Theo, eine Schulaufnahme aus der zweiten oder dritten Klasse, die auf ihrer Frisierkommode stand, immer noch im originalen kleinen Papprahmen. Andere Fotos sah man keine im Haus und überhaupt sehr wenige Bilder. Der große gerahmte Druck an der Wohnzimmerwand, der eine Brücke über die Liffey in Dublin zeigte, war die Ausnahme, und Theo glaubte, daß er hauptsächlich deswegen dort hing, weil die Wand sonst zu kahl gewirkt hätte. Anna Dowd Vilmos war nicht sentimental.
In einer untypischen Anwandlung von Nachlässigkeit hatte seine Mutter ihren Mantel über einen Sessel geworfen und ihre Handtasche offen auf dem Eßzimmertisch liegengelassen. Ein paar Kleinigkeiten waren herausgefallen,
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