Der Blumenkrieg
hineinkippte.
Unresizierbar. Das war einer der schlimmsten.
Metastasiert. Das war der schlimmste.
E r mußte natürlich seinen Job kündigen, auch wenn Khasigian so freundlich war, ihm zu sagen, er könne ihn wiederhaben, wenn er wolle. Seine von Natur genügsame Mutter hatte sich im Lauf der Jahre von der Rente und Sozialversicherung ihres Mannes ein Sümmchen zurückgelegt, das ausreichte, um die unbedeutende Resthypothek abzuzahlen und etwas zu essen auf den Tisch zu stellen, zumal Anna Vilmos nur noch ganz wenig aß, auch wenn Theo noch so sehr in sie drang. Ihre Appetitlosigkeit machte ihm solche Sorgen, daß er einmal sogar Johnny dazu animierte, ein paar Blüten von erstklassigem Gras mitzubringen, die seine Mutter schließlich nach harter Überzeugungsarbeit rauchte.
»Ihr wollt bloß, daß ich genauso süchtig werde wie ihr«, sagte sie müde grinsend und preßte dabei John Battistinis haarigen Arm. Es wäre urkomisch gewesen, eine Sache, über die Theo und Johnny sich noch ewig beömmelt hätten – »der Abend, an dem wir deine Mutter bekifft gekriegt haben!« –, nur leider war nichts an den Umständen witzig, Anna Dowd Vilmos’ gelbliche Haut sowenig wie die dunklen Ringe unter ihren Augen oder das Kopftuch, das sie jetzt immer trug, weil ihr von der Chemotherapie die Haare in Büscheln ausfielen. Sie hatte gerade in einem Augenblick trotziger Entschlossenheit das Gemcitabin abgesetzt und erklärt: »Es hilft kein bißchen, und ich habe nicht vor, ganz ohne Haare zu sterben.«
Das Marijuana hatte nicht die von Theo erhoffte Wirkung. Im Gegenteil, Anna hatte einen so schlimmen Trip, wie er ihn selbst bei den paranoidesten Erstrauchern selten erlebt hatte. Sie jammerte und weinte und brabbelte etwas über »die Nacht, in der sie das Baby geholt haben«, ein Zeug, mit dem Theo nichts anfangen konnte, sofern sie nicht über Cats Fehlgeburt redete. Während er sie im Arm hielt, sie unbeholfen tätschelte und lieber beruhigende Nichtigkeiten flüsterte, als daran zu denken, wie dünn sie geworden war, fragte er sich, ob vielleicht ein Ereignis aus ihrer eigenen Familiengeschichte dahinterstand. Es war erschreckend, wie wenig er über das Leben seiner Mutter vor seiner Geburt wußte.
Auch als das Schlimmste überstanden war, war sie zu aufgewühlt, um an dem Abend noch irgend etwas zu unternehmen, und ganz gewiß hatte sie kein Interesse daran, etwas zu essen. Er brachte sie schließlich zu Bett. Johnny trollte sich unter vielen Entschuldigungen heimwärts und versprach, er werde »was Sanfteres« finden, damit sie es irgendwann noch mal probieren konnten. Doch ein Blick auf seine im flachen Schlaf wimmernde Mutter überzeugte Theo davon, daß dies das letzte Experiment gewesen war. Es war schwer zu sagen, ob ihre stoische Haltung in den Wochen davor Augenverschließen oder Tapferkeit gewesen war, doch wie auch immer, er wollte sie ihr nicht noch einmal nehmen.
I ch möchte, daß du das Haus verkaufst«, sagte sie eines Morgens zu ihm. Es war ein Morgen wie jeder andere in letzter Zeit, und sie waren auf dem Weg in die Klinik, wo ihr stundenlange Behandlungen und ihm zerlesene Wartezimmerzeitschriften und schlechter Kaffee bevorstanden.
»Was soll das heißen, das Haus verkaufen? Sollen wir vielleicht ganz und gar in die Klinik ziehen?«
Sie hatte immer noch die Kraft, ihm einen gereizten Blick zuzuwerfen. Das war eines der wenigen Vergnügen, die ihr geblieben waren. »Ich meine, nach meinem Tod.«
»Mama, red doch nicht so was …«
»Wenn ich jetzt nicht so was rede, wann dann?« Sie zog das Kopftuch tiefer, das dabei war, ihr über die Ohren zu rutschen. »Wann? Nein, du hörst mir jetzt zu! Das ist nicht dein Haus – du willst dort nicht wohnen bleiben, wenn ich mal nicht mehr bin. Du würdest es eh nicht sauberhalten.«
»Daran will ich im Moment nicht denken.«
»Du willst nie an solche Sachen denken. Deshalb lebst du immer noch so, wie du lebst, Theo. Deshalb wohnst du wieder bei mir.«
»Ich hätte ausziehen können, wenn … wenn du nicht krank geworden wärest.«
Sie zog eine Grimasse. »Kann sein. Aber hör mir jetzt zu. Du verkaufst es, du besorgst dir eine nette Wohnung und hast dann noch ein bißchen Geld übrig. Du kannst noch mal studieren, einen Abschluß machen. Du hättest es weit bringen können, wenn du es nur versucht hättest – deine Lehrer meinten immer, du seist intelligent, aber du wolltest ja die ganze Zeit bloß in diesen Rockbands spielen. Das Haus ist
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