Der Blumenkrieg
mal!«
Wuschel zuckte zurück, als wäre er geschlagen worden, hielt aber trotz der offensichtlichen Pein, die ihm der Name bereitete, die Augen weiter fest auf Theo gerichtet. »Du hattest Leute, die dich aufzogen«, sagte er leise. »Menschen. Sie waren bestimmt sehr gut zu dir, doch das bedeutet nicht, daß du mit ihnen verwandt bist. Wechselbälge erkennen selten selbständig die Wahrheit. Und von einem bestimmten Punkt in ihrem Leben an sind sie Menschen. Du hättest auf unsere Tests wahrscheinlich nicht positiv reagiert, wenn du noch einige Jahre länger dort gelebt hättest, gar nicht zu reden von den ganzen anderen Dingen, die den Vermenschlichungsprozeß hätten beschleunigen oder gar endgültig machen können: Familiengründung, fanatische Religiosität, eine schwere Krankheit …« In die schuldbewußte Düsterkeit des Querzes fiel ein kurzer Lichtstrahl, als er sich über sein Spezialgebiet verbreiten durfte. »Es hat Fälle gegeben, in denen ein Wechselbalg in der Menschenwelt einen anderen Wechselbalg verriet, ohne darüber nachzudenken, wieso er sich eigentlich so sicher war …«
Das war einer von diesen völlig unsinnigen Träumen, wo einem Sachen erzählt wurden, die mit Sicherheit falsch waren, und man doch kein triftiges Argument dagegen vorbringen konnte. »Halt, halt!« Theo schwenkte die Hände. Seine Stimme klang weit entfernt, ganz als ob jemand anders spräche. »Wenn ich einer von diesen … diesen Elfen bin … warum interessieren sich dann alle so für mich? Warum die vielen Tests? Sie werden doch nicht diesen ganzen Zirkus gebraucht haben, bloß um festzustellen, ob ich einer von ihnen bin oder nicht – die Reflextests, die Farberkennung …«
»Wie Fürstin Ämilia sagte, und zwar durchaus wahrheitsgemäß, Theo, haben sie einen wie dich schon lange nicht mehr hiergehabt. Es herrscht nicht mehr viel Verkehr zwischen eurer Welt und unserer. Es gibt nicht viele Wechselbälge, und daß einer auf unsere Seite zurückkehrt, habe ich schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gehört.«
»Aber … ich fühle mich wie ein Mensch, verdammt noch mal!«
»Bestimmt. Schließlich bist du so groß geworden. Vor allem aber fühlst du dich wie du selbst. Oder bist du irgendwann einmal zum Vergleich jemand anders gewesen?«
Er dachte über eine passende Entgegnung nach, doch ihm fiel keine ein. Dieser neue schreckliche Albtraum war zuviel für ihn. »Hat Apfelgriebs das gewußt?«
»Soweit ich weiß, nicht. Es kam erst heraus, als Fürstin Ämilia sich die Testergebnisse ansah. Außerdem macht deine Freundin nicht den Eindruck von einer, die über so eine wichtige Sache Stillschweigen bewahren würde.«
Theo hatte noch jede Menge Fragen, doch Wuschel Segge wußte nur auf sehr wenige eine Antwort. Tests könnten nicht zeigen, wer seine wirklichen Eltern waren. Ihm sei kein Fall von fehlenden Kindern bekannt und Fürstin Ämilia auch nicht, soweit er sagen könne. Theos Herkunft sei ein Rätsel. Mit Menschen Kinder zu tauschen sei früher sehr gebräuchlich gewesen, doch in neuerer Zeit praktisch nicht mehr vorgekommen, hauptsächlich wegen des Kleeblatteffekts.
Theo war zum Heulen zumute, gleichzeitig jedoch schwebte er innerlich in einem Vakuum, in dem er von dem gewohnten Leben, das er bis eben noch geführt hatte, ja von der Erinnerung daran, völlig abgeschnitten war. Selbst inmitten solcher außergewöhnlichen Dinge, wie sie ihm in letzter Zeit widerfahren waren, hatte er sich doch weiterhin als ein ganz normaler Mensch empfunden. Das war jetzt wie weggeblasen: Er hatte buchstäblich keine Ahnung, wer oder was er war. Bitter und verwirrt saß er eine Zeitlang schweigend da.
Schließlich atmete er lang und zitternd aus. »Hör zu, ich finde es freundlich, daß du mich aufgeklärt hast und überhaupt, und eines Tages werde ich mich wohl auch dafür bedanken, aber würdest du jetzt bitte erst mal verschwinden? Ich möchte eine Weile allein sein.«
»Gewiß doch. Das verstehe ich.« Wuschel rappelte sich auf, immer noch nicht ganz sicher auf den Beinen. »Tut mir leid, aber ich fand, du solltest das wissen.«
»Genau.« Er brachte ihn zur Tür und hätte gern noch etwas zu dem beklommen auf dem Gang stehenden Querz gesagt, doch ihm fiel nichts ein. Erst als er die Tür zugeknallt hatte, ging ihm auf, daß er die einzige Lichtquelle fortgeschickt hatte.
Er tastete sich zum Bett zurück, und während er dort im Dunkeln lag, schoß ihm eine Flut zusammenhangloser Bilder durch den Kopf, die sich zu
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