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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schuld ist, stecke ich doch bis zum Hals in der Scheiße. Warum bleibst du bei mir und riskierst Kopf und Kragen?«
    Sie verzehrte den letzten Bissen und wischte die Krümel von seinem Hosenbein. »Jedenfalls nicht wegen der erstklassigen Bewirtung, soviel ist sicher. Dieses Brötchen wurde von Goblinsklaven gebacken, oder ich bin kein Apfel.« Sie fixierte ihn eine Weile. »Warum ich noch hier bin? Ich bin mir nicht ganz sicher, und das ist die volle Wahrheit. Zum Teil wohl deswegen … na ja, weil ich überrascht war, als ich dich kennenlernte. Ich hatte vorher noch nie mit einem Menschen zu tun gehabt …«
    »Angeblich bin ich gar kein Mensch!«
    »Du könntest aber ohne weiteres einer sein, so wie du andern Leuten ständig ins Wort fällst. Ast und Wurzel, Theo, du bist manchmal ein richtiger Kotzbrocken, das kann ich dir sagen!« Das wütende Funkeln trat wieder in ihre Augen, und er legte sich die Hand auf den Mund. »Schon besser. Wie gesagt, ich hatte noch nie mit einem Menschen zu tun gehabt, und ich hatte wohl die Erwartung, du wärst, was weiß ich, groß und fies und dumm. Wie ein Riese. Aber du magst sein, was du willst, fies bist du nicht.«
    Jetzt war es an ihm, mit den Augen zu funkeln.
    »Guter Versuch«, sagte sie grinsend. »Doch es stimmt. Du bist vielleicht ein Schmerz im Gesäß, aber im Grunde bist du ein guter Kerl. Na, jedenfalls, als ich dich hergebracht hatte, warst du so … hilflos …«
    »Es wird immer besser.«
    »Sei froh, daß du wenigstens mit irgendwas Sympathien schindest, Bürschchen, und sei es mit deiner Jämmerlichkeit. Jetzt paß auf. Mir war von Anfang an nicht wohl bei der Sache, der ganze Auftrag, dich hierherzuschaffen, schmeckte mir nicht. Ich hatte die Anweisung, dich unter allen Umständen durch diese Pforte zu schleusen. Aber dadurch, daß dieser häßliche Leichenheini auftauchte, mußte ich nicht herumargumentieren oder dich überlisten. Deshalb fiel mir die Entscheidung schwer, dich allein in die Stadt fahren zu lassen, aber ehrlich gesagt hast du dich Püppchen gegenüber beschissen benommen, und das machte es leichter. Am Bahnhof lief dann alles aus dem Ruder.«
    »Und aus dem Grund bist du noch hier? Weil ich ein Versager bin und du Mitleid mit mir hattest?«
    »Wenn du es so haben willst, Theo, dann kann man das vermutlich sagen.« Ihr Gesicht war ungewöhnlich ernst geworden. »Es hat schon gute Freundschaften gegeben, die mit weniger angefangen haben.«
    Er erinnerte sich, was er zu Püppchen gesagt hatte, und mußte zugeben, daß auch er diesen Theo nicht besonders gut leiden konnte. »Na schön, sei’s drum. Freundschaft ist Freundschaft, da hast du wohl recht.«
    »Das ist noch nicht alles.« Sie trank ihren Tee aus, ließ sich von seinem Knie rutschen und schwirrte zum Tresen, um dort ihr kleines Tablett abzustellen; gleich darauf hatte sie ihren Platz wieder eingenommen. »Weißt du, ich habe Graf Rainfarn nicht völlig vertraut. Das soll nicht heißen, daß er dir was Böses wollte, aber ich hatte meine Zweifel, daß ihm deine Sicherheit sonderlich am Herzen lag. Einer meiner Brüder war früher Laufbote bei ihm und mußte einmal teuer dafür bezahlen – Schale, der älteste. Das ist mittlerweile schon ewig her, aber wegen dieser Sache hat mein Bruder heute nur noch einen funktionsfähigen Flügel und ist weitgehend ans Haus gefesselt. Er verwaltet die Finanzen der Familie und hat sich viel um uns Kleinere gekümmert, als wir noch Kinder waren. Rainfarn trieb irgendein undurchsichtiges politisches Spiel, und Schale mußte Botschaften für ihn überbringen. Mein Bruder wurde von einer Bande gewalttätiger Pitzel überfallen und furchtbar zusammengeschlagen. Du findest wahrscheinlich, daß sich das komisch anhört.«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich lerne. Und mir ist früher mal was ganz Ähnliches widerfahren, aber ich hatte das Glück, daß ich fliehen konnte, ohne ernsthaft etwas abzukriegen.« Die üble Nacht damals auf dem Parkplatz einer Kneipe, die Stop Sign hieß – es schien Jahrhunderte her zu sein. »Aber war es Rainfarns Schuld, was deinem Bruder passierte?«
    »Nicht in dem Sinne, daß er es bewußt darauf angelegt hätte, aber er brachte Schali in eine gefährliche Situation, ohne ihn ausreichend darauf vorzubereiten, und schien dann nicht furchtbar geknickt zu sein, als die Sache schiefging und mein Bruder schwer verletzt wurde. Gewiß, die Chrysanthemensippe zahlt ihm eine ganz anständige Rente, aber was, denkst du, hätte er lieber:

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