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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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keinem erkennbaren Sinn verbanden: seine Kindheit, das Sterben seiner Mutter, die verrückten Sachen, die er hier gesehen hatte, sogar Cats wütendes, blasses Gesicht. Es ging stundenlang, jedenfalls kam es ihm so vor, eine ohnmächtige Achterbahnfahrt durch ein endloses Chaos.
    Was bin ich? Woher komme ich? Ist mein ganzes Leben nur ein dummes, erfundenes Märchen?
    Ein jäher häßlicher Gedanke kam ihm in der Einsamkeit eines lichtlosen Zimmers in einem fremden Land: Geht es in meinem Traum vielleicht genau darum? Um das Wesen in mir, das durch meine Augen schaut? Vielleicht habe ich ja so was wie eine, was weiß ich, eine schwarzelfische Seite, und die kommt jetzt heraus.
    Mama sagte, daß sie mich nicht lieben konnte, wie sie hätte sollen, fiel ihm plötzlich ein. Weil ich ihr irgendwie nicht richtig vorkam. Waren das nicht ihre Worte? Sie wußte Bescheid.
    Sie wußte Bescheid.
    Die Energie war immer noch nicht wieder da, als er endlich einschlief, ein Übergang von einer Dunkelheit in eine andere.
     

     
    D ie Narzissenwabe war ein scheunenartiger Bau im Keller des Hauptturms, der innen an eine Turnhalle erinnerte. Die Energie war zurückgekehrt, doch die Deckenbeleuchtung in dem riesigen Raum war trübe, und vor lauter durch die Luft fliegenden kleinen Gestalten waren Einzelheiten schwer zu erkennen, so daß Theo über seinen ursprünglichen Zweck nur Vermutungen anstellen konnte.
    Treiben diese Leute überhaupt Sport? fragte er sich. Ganz normale Sportarten? Es war deprimierend, wie wenig er über die Welt wußte, in der er derzeit zu leben gezwungen war, schlimmer noch, wie wenig er über diese Wesen wußte, die anscheinend seine Artgenossen waren. Doch im Augenblick konnte er nicht darüber nachdenken, es war, als ob sein Hirn ein einziger blauer Fleck wäre. Es war leichter, sich auf Belanglosigkeiten zu konzentrieren.
    Der arme, eingebildete Rufinus hatte seine Mitgliedschaft in einer Fechtmannschaft erwähnt – aus dem Grund hatte er gemeint, es mit den Hohlrücken aufnehmen zu können. Das war freilich ein furchtbarer Irrtum gewesen. Demnach wurde in dieser Welt gefochten, aber was noch? Schwer vorstellbar, daß Elfen Feldhockey oder Fußball spielten. Die Angehörigen der Oberschicht machten im ganzen eher den Eindruck von Schickimicki-Tennisspielern, die nach einem Match auf der Gartenterrasse des Country Clubs saßen und Cocktails schlürften, einen teuren Sweater über die Schultern drapiert, als von Leuten, die sich in einem schweißtreibenden Streetballspiel verausgabten.
    »He, du Riesenfuß, paß auf, wo du hinlatschst!« schrillte eine Stimme mit starkem irischen Akzent. »Oder hast du nichts Besseres zu tun, als hier herumzustrawanzen und unschuldige Leute plattzutrampeln?«
    Theo erstarrte und blickte nach unten. Genau wie über ihm in der Luft herrschte auf dem Boden ein Gewimmel von ein- und ausgehenden winzigen Pitzeln und anderen kleinen Wesen, die in langen Schlangen durch die hochgeklappten Außentüren zur Wabe hinausflitzten wie die Ratten von Hameln.
    »O Jes…« Er besann sich. »Entschuldige. Tut mir leid. Ich bin doch nicht … auf jemand getreten, oder?«
    »Nein, aber das ist beileibe nicht deiner Umsicht zu verdanken, du Nachtwächter.«
    Theo kniete sich vorsichtig hin. Das vor ihm stehende Männlein war geringfügig größer als Apfelgriebs, aber einheitlich graugrün, und mit den spitzen Stacheln, von denen es starrte, sah es in Theos Augen aus wie das Maskottchen des Artischockenzüchtervereins. Es hatte einen Werkzeugkasten in der Hand. Lieber Himmel, ging Theo auf. Wenn Wuschel recht hat, dann ist dieses Kerlchen mit mir verwandt – und all die andern kleinen Krabbler auch. Sie sind mir näher als meine Mutter, wenigstens biologisch. Auch dieser Gedanke fiel in die Kategorie »unfaßbar«, er wußte nicht, was er damit anfangen sollte. »Herrje, tut mir wirklich leid, Mann. Ich … ich bin neu hier.«
    Der kleine Stachelbold starrte ihn einen Moment lang an, dann zuckte er die Achseln. »Aye, kann vorkommen.«
    »Könntest du mir vielleicht helfen? Ich suche eine Fee, die Apfelgriebs heißt. Kennst du sie?«
    »Nee. Die kann ich eh nicht leiden. Die elenden Flatterdinger meinen, der ganze Laden gehört ihnen.« Er steckte zwei Finger, klein wie Bleistiftspitzen, in den Mund und pfiff dreimal mit überraschender Lautstärke. Theo wußte nicht, was er sagen sollte, also sagte er nichts.
    Sofort bog ein anderer kleiner Wicht ab, der gerade dicht über Theos Kopf

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