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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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das Geld oder seine beiden Flügel?«
    Theo seufzte. »Ich bemühe mich, das alles zu verstehen, aber ich bleibe immer wieder an diesem einen Riesenbrocken hängen und komme einfach nicht darüber hinweg. Da kommt plötzlich jemand an und erzählt mir, daß ich kein Mensch bin. Ich bin mein ganzes Leben lang ein Mensch gewesen! Wie soll ich damit fertigwerden?«
    »Du hattest dein Leben lang keine Ahnung, daß du überhaupt etwas anderes als ein Mensch sein könntest«, sagte Apfelgriebs. »Versuch mal, dir vorzustellen, man hätte dir gerade erzählt, du wärst kein … Wo warst du noch mal her? Amerika? Also, du wärst kein Amerikaner, wie du dachtest, sondern ein Frankaner oder sonst was.«
    »Franzose«, korrigierte er geistesabwesend. Das war eine gute Idee, aber er war für derartige mentale Klimmzüge noch nicht richtig fit. »Trotzdem verstehe ich es nicht. Wie konnte so etwas geschehen? Ich war kein Adoptivkind. Ich weiß noch, daß meine Mutter mir davon erzählte, wie sie ins Krankenhaus ging, um mich zu bekommen. Sie hatte Angst, weil es Komplikationen gab und sie achtundzwanzig Stunden lang keine feste Nahrung erhielt.«
    »Wechselbälge werden nicht adoptiert, sie werden ausgetauscht. Meistens bevor das Kind alt genug ist, um zu sprechen. Wenigstens war es früher so, als das noch häufiger vorkam. Jemand holte sich das richtige Kind deiner Eltern, oder es starb. Auf jeden Fall gab es … eine Öffnung, und im Austausch erhielten sie dich.«
    Theo schüttelte den Kopf. »Demnach … demnach müßte ich irgendwo … Elfeneltern haben, nicht wahr?«
    »Logisch.«
    »Kann ich sie finden?« Wobei ihn die Vorstellung nicht restlos begeisterte. Ihm fiel plötzlich ein Lied ein, das er vor Jahren geschrieben hatte, ein großmäuliges Bluesstück, in dem sein Vater Blitz und Donner gewesen war. Mann, das hier ist noch viel verrückter. Damals habe ich es schlicht langweilig gefunden, aus einer kleinbürgerlichen Familie zu stammen. Wenn ich das geahnt hätte!
    »Du kannst es versuchen. Aber die Leute hier in Elfien – wenigstens die von deiner Sorte, wenn ich mal so sagen darf, die Größeren –, die haben auch unter normalen Umständen kein besonderes Interesse an ihren Familien. So sind sie einfach – das hast du ja bei der kleinen Stechapfel gesehen.«
    »Poppi.«
    »Kann sein. Und ehrlich gesagt, Bürschchen, Leute, die ihr Kind an Menschen abschieben, wo sie kaum Hoffnung haben, es jemals wiederzusehen, die handeln nicht gerade wie liebende Eltern, oder?«
    »Du meinst, sie würden keinen Wert darauf legen, mich kennenzulernen.«
    »Wie kann man das am schonendsten sagen? Ja, ich denke, sie wären nicht gerade versessen darauf. Zumal du mächtige Feinde hast, die dich töten wollen. Selbst wenn man dich mag, ist es kein reines Vergnügen, näher mit dir zu tun zu haben …«
    »Theo Vilmos«, sagte eine Stimme in seinem Ohr sanft und doch stahlhart, »Fürst Narzisse erbittet deine Anwesenheit im Audienzsaal.«
    »Was ist los?« Apfelgriebs musterte ihn besorgt.
    »Hast du das nicht gehört? Eine Stimme hat mir soeben mitgeteilt, daß ich zu Fürst Narzisse in den Audienzsaal kommen soll.«
    Sie spitzte die Lippen und gab ein fast unhörbares Pfeifen von sich. »Du steigst auf in der Welt, Kollege. Weißt du, wo das ist?« Als er den Kopf schüttelte, sagte sie: »Dann bring ich dich hin. Vielleicht kann ich mich ja zur Audienz mit reinmogeln. Fürst Narzknarz läßt sich nicht allzu häufig sehen.«
    »Freut mich, daß mein jämmerliches Dasein dir wenigstens ein paar interessante Momente verschafft.«
    Sie kicherte. »Ja, mit dir erlebt man ständig was Neues, Bürschchen.«
     

     
    D er Audienzsaal in der Narzissen-Residenz befand sich im Hauptturm, wo er einen großen Teil des sechsundzwanzigsten Stocks einzunehmen schien. Schon der Vorraum war sehr groß. Das hinter der Empfangstheke sitzende Wesen – über zwei Meter groß und mit dem faltigen Gesicht und den geschwungenen Hauern eines Warzenschweins, so daß es eher für das Abfangen als für das Empfangen von Gästen zuständig zu sein schien – bedeutete Theo nach kurzer Überprüfung einzutreten, doch beim Anblick von Apfelgriebs schüttelte es sofort seinen unförmigen Kopf. »Nicht auf der Gästeliste.«
    »Sie gehört zu mir«, erklärte Theo mit, wie er hoffte, bewundernswerter Bestimmtheit.
    Vielleicht war es Amüsiertheit, was aus den rotgeränderten Äuglein des Vorzimmerekels blitzte, als es ihn musterte, nur kam es selten vor,

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