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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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daß Amüsiertheit so sehr dem Verlangen glich, jemandem den Kopf abzubeißen. »Oooh«, sagte es. »Wie ritterlich. Die Fee bleibt draußen, klar? Also, in wieviel Stücken soll ich dich zum Boß reinschicken? In einem? Oder in mehreren?«
    »Es lohnt nicht, deswegen zu streiten, Theo«, sagte Apfelgriebs. »Er ist bloß ein Schwein mit zuviel Macht.«
    »Ich fühle mich geradezu filetiert von dir, Herzchen.« Das Scheusal richtete seine boshaften Augen wieder auf Theo. »Gehst du jetzt rein?«
    »Ich warte hier auf dich«, meinte Apfelgriebs. »Ich setze mich nur so weit von der Empfangstheke weg, daß die Klimaanlage gegen den Atem von diesem Kollegen ankommt.«
    Das Warzenschweinwesen quittierte die Bemerkung mit einem anerkennenden Glucksen. Theo ging an ihm vorbei und wünschte, er könnte auch so gut gelaunt sein. Die Tatsache, daß die Tür wie ein aufdringlicher Bettler flüsterte, trug jedenfalls nichts dazu bei.
    »Blitzsauber«, wisperte sie, als er eintrat, und die kindliche Stimme war auf einmal ganz laut. »Blitzsauber. Ein Nymphenband. Ungewöhnliche Kleidung. Keine Waffen. Blitzsauber.«
    Der Audienzsaal, bei dessen Namen Theo an Gobelins und Buntglasfenster gedacht hatte, war überraschenderweise ein großer, hochmoderner Raum, dessen eine Wand aus einem einzigen riesigen Fenster bestand, durch das man eine herrliche Aussicht auf den Teil des Narzissenanwesens hatte, in dem das Tagungszentrum stand, sowie auf die Stadt dahinter. Das Fensterglas – falls es denn Glas war – schien dem Licht eine seltsame Beugung zu verleihen. Drei Gestalten erwarteten ihn, regungslos wie Statuen: Fürstin Ämilia saß zwischen zwei männlichen Elfen, einem blonden und einem dunklen. Er fragte sich, wie lange sie wohl schon so schweigend dasaßen. Konnte es sein, daß sie geistig miteinander kommunizierten? Er meinte sich zu erinnern, daß Apfelgriebs etwas in der Art über die Blumenfamilien erzählt hatte. Gruselig.
    Moment mal, wenn ich einer von ihnen bin, kann ich das dann auch? Oder ist es für mich zu spät? Das wäre natürlich mal wieder typisches Theo-Vilmos-Glück, wenn er alle Nachteile der Nichtmenschlichkeit hätte, aber keinen einzigen Vorteil.
    Fürstin Ämilia erhob sich mit einem huldvollen, wenn auch leicht künstlichen Lächeln. Sie trug einen Anzug aus einem groben, hellen Material, der einem Gästebademantel in einem Fünf-Sterne-Hotel insofern glich, als er ganz schlicht und zugleich sehr teuer aussah. »Ein gutes Mabon wünsche ich dir, Theo Vilmos. Sehr freundlich, daß du dich zu uns gesellst. Ich hoffe, der Totalausfall hat dir nicht zu viele Unannehmlichkeiten bereitet. Diese Störfälle machen uns zur Zeit ziemlich zu schaffen.« Sie deutete auf den dunkelhaarigen Mann. »Das ist unser verehrter Gast Fürst Stockrose.«
    Theo stutzte. Die Stockrosen waren die Familie, die Rainfarn seinerzeit beauftragt hatte, Theo in die Stadt zu holen, so daß dieser Mann ein Blutsverwandter des armen Kerls sein mußte, dessen mumifiziertes Herz er in Rainfarns silbernem Kästchen gesehen hatte, doch in der ganzen Aufregung seither hatte er sie beinahe vergessen. Der Elfenfürst machte nicht den Eindruck, als hätte er in jüngster Zeit einen schweren Verlust erlitten. Er trug einen eleganten, schwach schimmernden Anzug und zeichnete sich durch die langgliedrige Schönheit seines Standes aus, auch wenn er im Vergleich zu den anderen Blumenelfen eher klein wirkte. Stockrose hatte eine randlose Brille auf, doch ansonsten hätte sein Gesicht, fand Theo, gut in ein Renaissancegemälde gepaßt, vielleicht als ein Ratgeber, der neben dem Thron stand und mißbilligend zusah, wie der arme Columbus Isabella und Ferdinand zu überreden versuchte, ihm ein paar Schiffe zur Verfügung zu stellen. Er erstaunte Theo mit einem Lächeln, das beinahe freundlich war. »Junker Vilmos. Lernen wir uns endlich kennen.«
    »Und dies ist dein Gastgeber«, fuhr Fürstin Ämilia fort, »Fürst Narzisse.«
    Theos erster Gedanke war, daß der Mann besser Löwenzahn heißen sollte. Er war selbst für einen Elf hochgewachsen und hatte eine üppige, in alle Richtungen abstehende Mähne, ein breites Kinn und einen kurz gestutzten Bart, der kaum mehr als ein Streifen blonder Stoppeln war. Sein sandfarbener, lockerer Anzug war mustergültig salopp. Auch seine weißsträhnigen Haare waren sandfarben. Von allen Blumen, die Theo bisher gesehen hatte, war er der erste, dem man deutlich ansah, daß er die Lebensmitte überschritten hatte.

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