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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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neun, acht, war kein Zweifel mehr möglich. In seiner Verblüffung fiel ihm weder der Name ein noch der Grund, weshalb dieses plötzliche Auftauchen ihm so unwahrscheinlich vorkam, doch er kannte dieses Gesicht mit den verschleierten Augen, er kannte es.
    »Blut und Eisen!« stieß Wuschel hervor, als er auf die Erscheinung aufmerksam wurde. »Schau dir den armen Kerl an! Er hat das Augenlicht verloren.«
    »Er ist es«, sagte Theo, aber so leise, daß er es selbst kaum hörte. »Es ist Rainfarns Neffe.« Da fiel ihm auch der Name wieder ein, und damit kam die Erinnerung daran, wie Rufinus Kegel-Chrysantheme im Schattenhofer Bahnhof erstochen worden war. Bevor Theo noch einmal etwas sagen konnte, wehte Rufinus’ langer Mantel auf, und der runzlige, schwarzgeränderte Riß des aufgeschlitzten und eingefallenen Bauchs kam zum Vorschein. Der Schreck durchzuckte Theo wie ein Stromstoß. Das war nicht Rufinus, sondern irgend jemand, der in seinen Körper geschlüpft war, und Theo wußte genau, wer das nur sein konnte.
    Der Untote kam direkt auf ihn zu. Luft zischte aus dem offenhängenden Mund, die Hände gingen hoch, und die verschrumpelten Finger machten Krallbewegungen. Theo rappelte sich auf und stolperte über Wuschel Segge. Im nächsten Augenblick hatte sich der Leichnam auf ihn geworfen und hielt ihn mit roher Gewalt umklammert. So entsetzt, daß er nicht einmal um Hilfe rufen konnte, drosch Theo auf das bekannte, aber ausdruckslose Gesicht über ihm ein, hämmerte mit der Faust hinein, bis er die Knochen brechen fühlte, doch obwohl das Ding daraufhin einen Schwall nach Aas stinkender Luft ausstieß, lockerte es seinen Griff nicht. Die Hände an Theos Hals waren eiskalt. Als er den Körper packte und verzweifelt versuchte, ihn wegzudrücken, riß er brathähnchengroße Fleischklumpen ab. Die Klammer um seine Kehle wurde immer kälter, schien sein Gehirn mit Rauhreif zu überziehen und seine Muskeln in Schlick zu verwandeln, der unter der Eisschicht eines zugefrorenen Flusses am Ufer hervorquoll. Er sah nur noch das schlaffe Gesicht vor sich …
    Urplötzlich lösten sich die Finger von seinem Hals, und der lebende Leichnam plumpste von ihm herunter. Er hörte die panischen Keuchtöne, mit denen Wuschel dem Monster wieder und wieder seinen Wasserkelch auf den Kopf schlug. Nach Luft schnappend, aber eigenartig träumerisch und träge wälzte sich Theo herum und beobachtete, wie sich das Ding nahezu lautlos zur Wehr setzte. Es klammerte sich verbissen an Wuschel Segges angesengte Hosenbeine und zog sich an ihm hoch, obwohl der Querz nicht aufhörte, seinen Kopf – den Kopf, der einmal Rufinus Kegel-Chrysantheme gehört hatte und immer noch wie dessen grausige Karikatur aussah – zu einem formlosen Klumpen zu hauen.
    Mit einem Ruck schüttelte Theo die eisige Trägheit ab und ging seinerseits auf den Untoten los, womit er allerdings auch Wuschel zu Fall brachte. Wie besessen schlugen sie beide um sich, ebenso ineinander wie in ihren unnachgiebig klammernden Gegner verknäuelt. Theo entwand sich dem Knäuel als erster und trat mit aller Kraft auf das Ding ein, so daß er die Rippen unter dem verwesten Fleisch brechen fühlte. Wieder und wieder trat er zu, bis es Wuschel loslassen mußte, um sich selbst zu schützen, und sich wie eine stumme, stinkende Spinne einrollte, doch auch als der Querz endlich frei war, trat Theo wie rasend vor Grauen und Ekel immer weiter, trat den Oberkörper zu Fleischmatsch und Knochensplittern zusammen. Schließlich zerrte Wuschel Segge ihn zurück.
    »Er ist jetzt tot!« rief der Querz. »Er ist tot!«
    »Er war … schon vorher … tot«, japste Theo. Er riß sich los und trat erneut. Die Augen des Monsters waren jetzt gänzlich erloschen, der Körper endgültig regungslos. »Schnell!« sagte er. »Wir müssen hier weg.« Er packte Wuschel und zog ihn von dem Leichnam weg.
    »Warte«, sagte Wuschel, »du brauchst Hilfe. Du blutest …«
    Da tauchte ein weiteres Mal eine Gestalt aus dem Dunkel auf und blieb neben dem verkrümmt am Boden liegenden Körper stehen. »He, was ist hier los? Was habt ihr getan?« herrschte der Mann sie an. »Kommt zurück!«
    »Es ist ein Schutzmann«, sagte Wuschel erleichtert. »Bleib hier, er wird uns helfen …«
    Theo konnte auf solchen Unfug keine Energie mehr verschwenden. Er verfiel in einen schwankenden Trab und zerrte den Querz hinter sich her.
    »Der Mann hat uns angegriffen!« schrie Wuschel Segge dem Schutzmann zu. Er sträubte sich gegen Theos

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