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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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war wieder draußen in der Welt, obwohl er sich in den letzten Stunden viele Male sicher gewesen war, diese niemals wiederzusehen.
    Sie ließen sich von heiser gebrüllten Schutzleuten vom Ausgang wegdrängen. Wuschel machte sich los und humpelte ungestützt allein weiter. Theo atmete Luft ein, die frei von Rauch war oder zumindest ein Gemisch, in dem der Anteil der Luft den des Rauches deutlich überwog.
    Geschafft! dachte er, zu Tode erschöpft und völlig orientierungslos. Ich bin draußen. Ich lebe. Und jetzt?
    Ihm fiel nichts ein, was sonst noch von Wichtigkeit sein konnte, außer sich eine ausgiebige kühle Dusche zu gönnen und dann hundert Jahre lang zu schlafen.

 
26
Weiter in neuer Gesellschaft
     
     
    E ntgegen dem ersten Eindruck war die Luft draußen nicht viel weniger rauchig als drinnen, wo er fast erstickt wäre, doch als Theo einen Moment lang zu husten aufhören konnte, kam sie ihm geradezu himmlisch rein vor, wie Engelshauch. Er knotete das rußige Hemd auf, das er immer noch vor dem Gesicht trug, und warf es weg, und dann saugte er tief das wunderbare Lebenselixier ein. Er beschloß, jeden einzelnen Atemzug zu feiern, der ihm im weiteren Leben vergönnt war.
    Goldene Käfer zogen in langen Reihen über die noch stehenden Mauern und über den Boden, und sie platzten knackend unter seinen Füßen, als er sich schweren Schritts vom Ausgang des Tagungszentrums entfernte. Große Notlaternen waren überall außer Reichweite der fallenden Trümmer auf dem Parkgelände aufgestellt und die Leuchtkörper mit Linsen ausgestattet worden, die ihr senffarbenes Licht zu Strahlen gebündelt nach oben in die treibenden dunklen Schwaden richteten. Schreiende Schutzleute und verbrannte und schmutzige Opfer wimmelten überall genauso ziellos herum wie die goldenen Käfer, die einzige Ausnahme bildete eine Gruppe von ungefähr fünfzehn Elfen in langen grauen Gewändern, die am äußersten Rand der offenen Fläche vor dem Gebäude im Kreis standen, die Arme schwenkten und sangen. Irgendwelche religiösen Eiferer, nahm er an, eine Art elfische Heilsarmee, die am Schauplatz der Katastrophe betete, doch dann hörte er hoch oben ein echtes Donnergrollen und fühlte Regentropfen im Gesicht, und just in dem Moment wechselte das Singen in eine höhere Tonlage. Also keine ekstatischen Beter, sondern vielleicht eine Elfenversion der freiwilligen Feuerwehr, die keine andere höhere Macht beeinflussen wollte als das Wetter. Theo schüttelte den Kopf. Ein ums andere Mal waren ihm die Verhältnisse in Elfien beinahe zum Verhängnis geworden, und nach wie vor verstand er kaum etwas von dieser Welt. Aber er konnte es sich nicht leisten, hier gaffend herumzustehen, er befand sich noch viel zu sehr in der Nähe der beiden am schwersten getroffenen Gebäude, des Tagungszentrums und des Hauptturms, der jeden Augenblick gänzlich einzustürzen drohte. Dach- und Fassadenteile kamen hier und da aus den angestrahlten Höhen herabgesaust und zerschellten am Boden, tödlich wie Granaten.
    Mit Wuschel im Schlepptau schleifte sich Theo ein Stück weit in das Parkgelände hinaus, wo er schließlich auf die Knie fiel und unter Husten und Würgen Ruß erbrach – pfundweise, wie es sich anfühlte. Hinterher lag er lange Zeit keuchend am Boden, zu schwach und zu schwindlig, um sich zu erheben, und sah zwischen kurzen Momenten der Bewußtlosigkeit Funken vorbeifliegen, während Wuschel murmelnd und stöhnend neben ihm kauerte. Irgendwann trat eine Elfe mit weit aufgerissenen, aber müde und leer blickenden Augen im rußverschmierten Gesicht aus dem Dunst auf sie zu. Sie reichte jedem von ihnen einen kostbar aussehenden Kelch mit Wasser und war im nächsten Moment im nieseligen Dämmergrau verschwunden. Theo setzte sich auf und trank einen kleinen Schluck, hustete das meiste wieder aus, trank abermals. Eine Sekunde lang lag sein ganzes Leben in diesem silbrigen Wasserfaden, der ihm unbeschreiblich süß und wunderbar durch die Kehle rann.
    Während er so saß und es zum erstenmal seit Stunden vorstellbar fand, daß es doch Argumente gab, die für das Weiterleben sprachen, kam abermals eine Gestalt auf sie zugewankt wie ein kaputtes Spielzeug. Das arme Schwein hat’s viel ärger erwischt als uns, war alles, was Theo denken konnte, bevor der Wind den Rauch wegwehte und er ein bekanntes Gesicht vor sich sah. Zunächst glaubte er, daß er sich irrte, daß ihm das trübe Licht einen Streich spielte, doch als die Gestalt näher kam, noch zehn Schritte,

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