Der Blumenkrieg
Eindruck einer Schneekugel aus dem Andenkenladen der Hölle machte. Überall lagen Leichen herum, auf dem Boden und in den Trümmern. Etliche waren ungefähr so groß wie Theo, gewöhnliche Elfen, die sich arbeits- oder besuchshalber in der Wabe aufgehalten hatten, aber die erdrückende Mehrheit waren Pitzel und Feen und andere kleine Wesen, unüberschaubare Hunderte oder sogar Tausende winziger Leiber, schwarz verbrannt, mit versengten und verstümmelten Flügeln. Ein ganzes fröhlich schwadronierendes und singendes Gemeinwesen sah jetzt aus wie ein riesiger Schwarm toter Fliegen, die in Haufen zusammengekehrt worden waren. Doch nicht alle waren gleich gestorben: Hohe Schreckens- und Schmerzensschreie gellten durch die Luft, und schließlich begriff Theo, daß die herumschwirrenden Teilchen nicht nur feurige Glut waren, daß die oberen Regionen voll von klitzekleinen, unbeholfen flatternden Gestalten waren, von denen einige tatsächlich brannten und andere gerade zu schwelen begannen – fliegende Funken, die verzweifelt nach einem Fluchtweg suchten, doch statt dessen von den heißen Luftströmen mit emporgerissen wurden. Andere, die dem Zug nach oben noch entgangen waren, stießen in ihrem Todeskampf blind und kopflos gegen Türen und Wände. Es machte den Anschein, als ob die Millionen Funken in der Luft zur Hälfte sterbende Elfen wären.
Während er die Stufen hinunterstolperte, schlug Theo in einem fort brennende Glutflöckchen aus, die sich auf seine Haare legten und seine Augen bedrohten, doch er wußte bereits, daß es hoffnungslos war: Die Hitze war zu stark. Er konnte unmöglich lange genug durchhalten, um sich an den Ort der schlimmsten Vernichtung vorzukämpfen, ganz zu schweigen davon, in diesem grauenhaften verkohlten Haufen nach einem kleinen Körper zu suchen. Ihm war, als fielen ihm die Augen aus dem Kopf, und er konnte nicht einmal blinzeln, so wund und trocken waren sie. Der Geruch war entsetzlich.
Unten angekommen blieb er stehen. Ein großes Stück brennendes Holz krachte von oben auf die Trümmer der Wabe, und eine gewaltige Funken- und Flammensäule stieg in die Höhe. In ihrem kurzen Aufleuchten sah er, daß unweit von ihm jemand auf dem Boden kniete, jemand, der größer war als die normalen Wabenbewohner. Obwohl ganz in der Nähe Schutt niedergegangen war und Glutteilchen auf den Rücken der Gestalt regneten, machte der Elf keinen arg verbrannten Eindruck. Er bewegte sich sogar, wenn auch sehr langsam, und versuchte, sich mit den Armen vorwärtszudrücken.
»Warte!« wollte Theo schreien, doch heraus kam nur ein unartikuliertes Bellen. Er zog sich das Hemd vom Mund, damit er besser zu verstehen war. »Ich helfe dir!« Der Kopf der Gestalt ging hoch und blickte sich um, halb geblendet vom Rauch. Zu seinem großen Erstaunen kannte Theo den Mann. »Wuschel?«
Er eilte durch den Raum, so rasch er konnte, sprang über lodernde Trümmerhaufen, wich anderen aus, die zu groß dazu waren, immer bemüht, sich aufrecht zu halten und jeden Gedanken daran zu verbannen, was gerade unter seinen Füßen knirschte und spritzte. Schließlich hatte er den Querz erreicht und zerrte ihn in die Höhe, ohne auf den Protest seiner eigenen geschundenen Muskeln zu achten. Wuschel Segge betrachtete Theo mit fassungslosen Augen, anscheinend ohne ihn zu erkennen.
»Komm schon, ich bin’s – Theo! Ich helfe dir. Kannst du gehen?«
»Mein Bein. Irgend etwas ist daraufgefallen.« Wuschel tat einen Schritt und wäre beinahe gestürzt. Theo faßte ihn unter die Achsel.
»Auf meins auch. Nach einer Weile vergißt man das. Halt dich fest!«
Taumelnd machten sie sich durch den Rauch auf den Rückweg wie ein angeschlagenes zweiköpfiges, dreieinhalbbeiniges Ungeheuer. Es fiel Theo extrem schwer, den Elf die Treppe hinaufzuschleifen. Wuschel war zwar bei weitem nicht so groß wie er, aber er war keineswegs aus Schwanenfedern und Löwenzahnsamen gemacht. Ein wimmerndes Etwas, das einen Funkenschweif hinter sich herzog, schwirrte an Theos Gesicht vorbei. Die Decke ächzte, und abermals löste sich ein großes Stück und knallte herab, so daß feurige Geschosse über sie hinwegstrichen, während sie sich die Stufen hinaufquälten.
»Sie haben alle getötet«, sagte Wuschel erschüttert. »Alle.«
»Dich und mich nicht«, widersprach Theo mit zusammengebissenen Zähnen. Er hatte langsam das Gefühl, daß er sich den Querz über die Schultern legen mußte. »Noch nicht.«
Am schwierigsten war es, an dem großen
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