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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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in einem der hohen Häuser zu leben …«
    »Das hat er bereits.«
    »Siehst du. Nein, die Blumenadeligen sind noch nicht bereit, ihre Kinder neben Goblinkindern auf die Schulbank zu setzen. Mit der Zeit könnten die Kinder zum Beispiel die Unterschiede zwischen uns in Frage stellen, die für sie immer unangreifbar waren. Und jetzt kann es doch sein, daß du eine gewisse Bitterkeit in meiner Stimme hörst, Junker Vilmos. Denn natürlich bin ich nicht zufällig auf diese Gedanken verfallen. Es gibt keine Geschichte einer lebensbestimmenden Ungerechtigkeit, aber es gibt durchaus einen ganzen Katalog kleiner Kränkungen und Zurücksetzungen, eine auf die andere gehäuft, Tag für Tag, bis sie zusammengenommen mehr wiegen als ein einziges großes Unrecht. Ich weiß nicht viel über die Menschenwelt, aber ich stelle mir vor, daß es dort Leute gibt, denen es ähnlich geht wie mir …«
    »Die gibt es. Keine Frage.«
    »Solche Menschen hätte ich gern kennengelernt – es wäre aufschlußreich gewesen, Ähnlichkeiten und Unterschiede zu vergleichen. Was mich treibt, ist nicht, was du vielleicht vermutest. Das schlimmste war nicht, daß irgendein reicher Dummkopf mich einen ›Hautfresser‹ schimpfte oder mich als schmutzig oder als Säufer verunglimpfte, ohne sich die Mühe zu machen, etwas über mich zu erfahren. Was mich am meisten erbitterte, war nicht einmal das Wissen, daß die Blumenfürsten bedenkenlos unser gesamtes Volk wie Zunder verbrannt hätten, wenn wir Goblins uns als brauchbar erwiesen hätten, ihren Kraftbedarf zu decken – das vermag ein einzelnes Eigenherz fast nicht zu fassen. Nein, das schlimmste war, daß selbst die freundlicher gesinnten Elfen, die ich kennenlernte, die anständigen, sich selbst immer wieder daran erinnern mußten, daß ich ebenfalls ein lebendes, denkendes Wesen war. Die Überraschung, wenn ich etwas Intelligentes sagte! Das Lob, mit dem fast jede Leistung von mir bedacht wurde, als ob ich ein Stück Vieh wäre, das gelernt hatte, chiffrierte Zauber zu entschlüsseln! Dies zehrte mehr an mir als die offenen Brutalitäten, Theo Vilmos. Und als ich von der Schule abging, von neuen Ideen glühend und verwundert darüber, daß meine Klassenkameraden nicht von gleicher Glut erfüllt waren, da mußte ich entdecken, daß, ähem, nicht einmal mehr meine eigene Familie mich verstand und daß mir keine berufliche Laufbahn offenstand, in der ich meine geistigen Fähigkeiten sinnvoll anwenden konnte. Sofern mir nicht ein Glücksfall widerfuhr wie deinem Freund Wuschel und ich von einer der unkonventionelleren Blumenfamilien als eine Art Kuriosum aufgenommen wurde, konnte ich mir keine höheren Hoffnungen machen, als die Hecken der Reichen zu schneiden oder vielleicht einen kleinen Laden am Rande von Goblinhausen zu führen.
    Jahre vergingen, und ich fand keine befriedigende Nutzanwendung für meine Bildung, für meine Ideen. Du hast den Zustand unserer Gesellschaft gesehen, Theo Vilmos. Wir leben nicht in glücklichen Verhältnissen, und je mehr ich mich damit beschäftigte, um so mehr fand ich darüber heraus, was seit dem Riesenkrieg und dem Tod des Königs und der Königin geschehen war, um so stärker wurde meine Überzeugung, daß das ganze Gesellschaftsgebäude innerlich faul war. Vielleicht ist das Wunschdenken, denn falls dieses System fortbesteht, wird sich an den Bedingungen für mein Volk in meinem Leben schwerlich etwas ändern, und wenn dieses Leben noch so lange währt.« Er lächelte und blickte zu Husch-Husch und Brummi hinüber, die sich gerade ausruhten und Wasser aus einem Eimer tranken. »Lange wird das wahrscheinlich nicht sein, auch wenn Primels Oger noch so gut in Form sind.«
    Er schenkte sich abermals Tee nach. »Wie schon gesagt, Theo, birgt diese Geschichte keine großen Überraschungen. Ich lernte Caradenus Primel in einer Zeit kennen, als mein Vater unter Vertrag stand, die endlosen Rasenflächen im Norden der Primel-Residenz zu pflegen. Abmachungen und Verträge halten wir sehr hoch, wir Goblins. Unsere Ehre ist uns mehr wert als unser Leben, und ein gegebenes Wort gilt uns von jeher als heiligste Verpflichtung. Daher ist ein Vertrag, jeder Vertrag, für uns eine Angelegenheit starker Wissenschaft. Für meinen stolzen Vater bedeutete dieser Pakt mit einer Blumenfamilie eine Anerkennung durch gesellschaftlich Höherstehende, wohingegen er für sie nur ein Diener von vielen war. Doch das tut nichts zur Sache. Caradenus war schon immer ein unkonventionelles Mitglied

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