Der Blumenkrieg
niemanden mehr gibt, dem er die Treue halten kann.« Er schüttelte den Kopf. »Die Blumen verstehen das nicht, oder sie wollen es nicht glauben, und sie machen zwanghaft mit ihren Leibwächterzwillingen weiter. Unter den Elfenfürsten ist es eine gängige Beleidigung zu sagen: ›Soundsos Wächter sind sich vor der gemeinsamen Anstellung noch nie begegnet‹, was heißen soll, ähem, daß der Betreffende zu arm ist, um sich Zwillinge leisten zu können.«
Theo betrachtete den Schweißglanz auf der ledrigen Haut, die schwellenden Muskelpakete. »Und sind deine Leibwächter Bruder und Schwester?«
Knopf lachte. »Diese beiden? Allerdings, das sind sie. Aber ich bin kein Sklave der Blumenmode, muß ich hinzufügen. Sie sind die Leibwächter von Caradenus Primel. Sie sind mit ihm gekommen, aber er hat sie, ähem, gewissermaßen an mich abgetreten. Er fürchtet um mein Leben. Er ist ein guter Kerl, dieser Primel.«
»Am ersten Tag hätte ich dir schwerlich zugestimmt, aber inzwischen wohl schon. Was hat ihn eigentlich hierhergeführt? Er hat zu mir nie ein Wort darüber verloren.«
Knopf schenkte sich noch eine Schale Tee ein. »Ich spüre, daß du mit dem wahren Anliegen, das dich zu mir geführt hat, hinterm Berg hältst, Theo Vilmos. Aber ich habe es nicht eilig, und wir können den Berg auf vielen Wegen erklimmen.« Er trank, überlegte. »Die Gründe, die Primel und mich hierhergeführt haben, sind übrigens eng miteinander verquickt.«
»Wie es dich hierher verschlagen hat, hat mich auch schon beschäftigt, aber ich wußte nicht, ob es unhöflich ist, zu fragen …«
»Es ist niemals unhöflich, einen Goblin etwas zu fragen, weil wir gern Geschichten erzählen, aber was du dann erzählt bekommst, ist, wie du inzwischen bestimmt weißt, eine Geschichte mit einem Loch darin, wie wir immer sagen. Vielleicht hast du ein wenig darüber nachgedacht, Theo Vilmos. Vielleicht hast du dir gesagt: ›Die Blumen müssen Knopf irgendein schreckliches Unrecht angetan haben, daß er so sehr gegen sie ist.‹ Vielleicht hast du dir vorgestellt, daß meine Familie, ähem, brutal niedergemetzelt wurde oder daß junge Elfenadelige mir die Liebste aus den Armen rissen und schändeten. So einfach war das aber nicht. Überhaupt frage ich mich, wie oft es vorkommt, daß Leute, die solche Verluste erlitten haben, zielgerichtet auf Veränderungen hinarbeiten können, wie ich sie erstrebe. Mir scheint, wenn die Scheibe, auf der eine Kanne getöpfert wird, krumm ist, dann wird die Kanne auch krumm werden, einerlei wie sehr sich der Töpfer bemüht. Je größer die Kanne, um so ausgeprägter werden die Mängel. Und von einer bestimmten Größe an wird die anfängliche Krummheit dazu führen, daß sie zerbricht, sobald sie zum erstenmal übers Feuer gehängt wird.
So will es mir scheinen. Ich glaube, daß eine Veränderung unserer Lebensweise kommen wird. Wenn ich zurückschaue, sehe ich, daß ich einen langen Weg zurückgelegt habe, der zum Teil durch schwere Zeiten geführt hat, aber nicht nach der simplen Devise: ›Sie haben meine Familie umgebracht, und jetzt müssen sie gestürzt werden.‹ Meine Eltern leben und sind gesund, und sie wohnen hier in dieser Stadt. Mein Vater ist Gärtner, hat inzwischen einen eigenen Betrieb und pflegt die Anwesen einiger der größten Adelshäuser. Er ist glücklich – oder, ähem, hält sich wenigstens dafür. Auch meine Mutter hat jetzt, nachdem sie viele Jahre lang Fenster geputzt und Böden geschrubbt hat, die Muße, Zeit mit ihren Enkeln zu verbringen. Siehst du, Theo, ich habe mehrere Brüder und Schwestern, und die kümmern sich weitaus weniger als ich um den Gang der Dinge in Elfien. Sie führen eher ein … konventionelles Leben. Auch meine Mutter hält sich für glücklich. Vielleicht ist sie das ja.
Ich jedoch, nicht wahr, hatte das Unglück, daß ich eine gewisse Bildung erhielt. Ich war der Jüngste, und zu der Zeit, als ich heranwuchs, konnten meine Eltern schon genug Geld zusammenkratzen, um mich auf eine der höheren Goblinschulen zu schicken. Du schaust überrascht. Solche Schulen gibt es tatsächlich.«
»Das bezweifele ich nicht«, sagte Theo. »Ich habe nur … Sind sie ausschließlich für Goblins?«
»Natürlich. Die Blumenfamilien und ihre Bewunderer tun sich schon schwer damit, Schulen und Wohnviertel für geringere Elfen ihres eigenen Schlages zu öffnen. Ich nehme an, dein Freund Wuschel Segge könnte dir so manche Geschichte davon erzählen, was es heißt, als Querz
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