Der Blumenkrieg
Körperteile hielten die Füße und Beine für schwachsinnig, und die Teile zwischen seinen Beinen waren kurz davor, den offenen Aufstand auszurufen. Er machte sich los, solange er noch dazu imstande war, gab ihr ein paar vorletzte und letzte und allerletzte Abschiedsküsse und stieg dann umständlich rückwärts aus dem kleinen Wagen. Das Problem war weniger, daß ihre Beziehung noch zu jung war – es war Krieg, Herrgott noch mal! –, sondern eher, daß er in seinem Leben noch keinen Platz für sie hatte, und derart überraschend ernste und starke Gefühle konnten ihn ohne sicheren Halt einfach umwerfen.
»Theo?« fragte sie, als er zur Fahrerseite herumging, um sie ein allerallerletztes Mal durchs Fenster zu küssen. »Wohnst du wirklich mit einem Goblin in einem Zelt? Und singst mit ihnen?«
»Ja, mehr oder weniger.« Er zögerte, weil er Angst hatte, sie könnte irgendeine blasierte Bemerkung machen, wie, sie wären schmutzig oder kriminell, und es ihm damit verleiden, daß er sie so gern hatte.
»Das finde ich toll. Ich wollte schon immer gern einen Goblin kennenlernen. Mein Vater hat mich nie in ihre Nähe gelassen.«
Er dachte an Knopfs Revolutionspläne. »Kann gut sein, daß alle die Goblins eines Tages besser kennenlernen.« Er küßte sie. »Gute Nacht, Poppi. Danke für … für alles.«
»Ich sollte das nicht sagen«, gab sie zurück, »aber ich sage es trotzdem. Ruf mich an.«
Theo winkte, während sie ungeschickt wendete und dann in Richtung Stadt davonfuhr. Er hatte sich schon lange nicht mehr so sehr wie ein Jugendlicher gefühlt. Ja, das hatten wir schon mal. Ich lebe in einer Welt, die ich nicht begreife, die Autoritätspersonen haben mich alle auf dem Kieker, und ich werde komplett von meinen Drüsen gesteuert.
Auf dem Rückweg zum Flüchtlingslager hatte er ein bißchen das Gefühl, ganze leise sein zu müssen, damit er seine Eltern nicht aufweckte.
33
Der letzte Atemzug
I ch freue mich, daß du mich besuchen kommst, Theo Vilmos.« Theo nahm gegenüber von Dreck Laus Knopf auf der Flechtmatte Platz. Der Goblin reichte ihm eine Schale und goß dampfendes Wasser aus einem Behältnis hinein, das sehr nach einer Teekanne aussah, doch Theo hatte gelernt, nicht nach dem Schein zu gehen. »Danke. Was ist das?«
»Tee.«
»Gut.« Er nippte, pustete, nippte erneut. Es schmeckte ein wenig wie Root Beer und ein wenig wie Korianderkraut, aber es war gar nicht schlecht, und da auch keine kleinen Tiere darin schwammen, beschloß er, die Erkundigung damit gut sein zu lassen. Eine Weile hielt er einfach die Schale in der Hand und ließ seine Gedanken zur Ruhe kommen wie die auf den Schalenboden sinkenden Blattstückchen, auch wenn das Ächzen und Stöhnen vom hinteren Ende des Brückenturmzimmers ihm die Konzentration nicht eben leicht machte. Die beiden Ogerleibwächter übten abwechselnd Gewichtheben mit einem Brocken Granit von der Größe eines Heimkino-Komplett-Sets.
»Wieso treten die immer paarweise auf?« fragte Theo. »Oger, meine ich. Niemand hat nur einen.«
Knopf lächelte auf seine pfiffige Art. »Bist du wirklich gekommen, um mir diese Frage zu stellen? Der Grund ist, daß sie meistens Bruder und Schwester sind, wenigstens in den Häusern, die bei den Elfenfürsten als die besseren gelten, wobei ›besser‹ natürlich ›reicher‹ bedeutet. Unter den Blumen herrscht die abergläubische Ansicht, daß Geschwister besser zusammenarbeiten als andere, und da bei Ogern häufig gemischtgeschlechtliche Zwillinge geboren werden und Oger in gleicher Weise eine Neigung zum Personenschutz haben wie Querze zu Putzarbeiten und Heinzel zur Haushaltsführung, ist es, ähem, nicht unmöglich, Bruder-und-Schwester-Paare zu finden, die als Wächter arbeiten mögen, zumal sie die höchsten Löhne verlangen können.« Er blickte zu Husch-Husch und Brummi hinüber und senkte dann die Stimme. »Der Aberglaube geht noch weiter. Wenn zum Beispiel ein Zwilling getötet wird, und sei es, er rettet damit seinem Herrn das Leben, dann wird hinterher der andere fast immer entlassen. Kannst du dir so etwas Grausames vorstellen? Erst verlierst du deinen Zwilling und dann auch noch deine Arbeit! Aber es ist, wie so vieles, nur ein Aberglaube, an dem mit fragloser, um nicht zu sagen törichter Sturheit festgehalten wird. Ein überlebender Ogerzwilling, ›Witwe‹ beziehungsweise ›Witwer‹ genannt, wird häufig seinem nächsten Herrn ein hundertprozentig ergebener Beschützer sein, da es sonst
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