Der Blumenkrieg
hatte sie ihn schon umschlungen. Sie bedeckte sein Gesicht mit Küssen, dann trat sie zurück, und ihre dunklen Augen waren groß und ernst. »Ist es sehr schlimm, daß ich gekommen bin? Ich habe halb befürchtet, ich würde dich mit einer anderen Frau antreffen.«
Er fand es überhaupt nicht schlimm, ihr Körper an seinem fühlte sich ganz wunderbar an. Er küßte sie zur Antwort, doch plötzlich hielt er inne und lehnte sich zurück. »He, wie hast du mich überhaupt gefunden?«
»Ich habe eine Freundin, die im Amt für Spiegeldienst arbeitet. Sie hat eine Affäre mit ihrem Chef, und der Zugang, den sie zu allem hat, ist schlicht skandalös. Es war für sie ein Klacks, den Anruf zurückzuverfolgen, den ich gestern von deinem Freund bekam.«
»Aber du wußtest doch bereits, daß ich im Lager lebe.«
»Ich habe den Anruf nicht zum Lager zurückverfolgt, sondern zu deinem Freund.« Sie hob den kleinen Stab hoch, den sie als Telefon benutzte. Ein ganz schwacher silbriger Schimmer ging davon aus. »Siehst du? Ich habe es so verzaubert, daß es anzeigte, wann es in die Nähe des Mannes kam, der den Anruf gemacht hatte. Ich dachte, falls du nicht im selben Zelt schläfst, weiß er wenigstens, wo du bist – aber du warst da.«
Er war erschrocken und beunruhigt. Er hatte die technischen Möglichkeiten in Elfien schon wieder unterschätzt. »Aber das ist schrecklich! Das heißt, daß jeder uns aufspüren kann …!«
»Was ist, hast du so viele andere Mädchen angerufen? Wenn nicht, mußt du dir nur meinetwegen Sorgen machen, und ich werde dich mit Sicherheit nicht melden.« Sie warf ihm einen halb mißtrauischen, halb belustigten Blick zu. »Es gibt doch keine anderen Anrufe, oder?«
»Nein, nein. Das war mein erster Versuch dieser Art. Aber was ist, wenn nun deine Freundin im Amt für was weiß ich …«
»Sie wird gar nicht auf den Gedanken kommen. Ich habe ihr erzählt, ich hätte zufällig einen Mann mit einer attraktiven Stimme in der Muschel gehabt, und jetzt wäre ich neugierig, wie er aussieht. Sie ist dermaßen in Aufruhr wegen der Sache mit ihrem Chef, daß sie es wahrscheinlich längst vergessen hat. Na, beruhigt?«
»Hm, halbwegs. Es ist bloß … weißt du, ich habe Stracki dazu überredet. Ich würde mir schreckliche Vorwürfe machen, wenn ihm meinetwegen was zustoßen würde.«
Jetzt blickte sie richtig belustigt. »Du und deine Verpflichtungen! Du magst ja Elfenblut in dir haben, doch es ist gewiß nicht aus einem der hohen Adelsgeschlechter, sonst würdest du dir wegen solcher Sachen nicht den Kopf zerbrechen. Selbst die relativ netten Jungen wie Lander Fingerhut würden bedenkenlos über ihre sterbende Großmutter hinwegtreten, um zu einer spannenden Party zu kommen.«
»Aber du bist nicht so.« Doch wenn er daran dachte, wie sie über die Ermordung ihres Bruders gesprochen hatte, kamen ihm Zweifel.
»Ich will nicht so sein«, sagte sie ernst. »Manchmal denke ich, ich bin nicht so, dann wieder denke ich, ich kann nichts dagegen machen, ich bin einfach in dieser Welt groß geworden.« Sie hakte sich bei ihm unter und zog ihn auf den Deichweg, der zum Lager hinausführte. »Leute wie mein Vater und seine Freunde – ich meine gar nicht mal die Nieswurzen, die sind vollkommen wahnsinnig, ich meine die allgemein als normal geltenden Blumenadeligen –, die vergeuden keine Energie damit, sich um irgend jemanden groß zu kümmern außer ihrer eigenen Person. Früher hielt ich das für normal, aber hin und wieder war einer der Diener oder einer meiner entfernteren Verwandten … anders. Tat irgend etwas einfach aus Freundlichkeit. War gut zu mir, bloß weil ich ein trauriges kleines Mädchen war, nicht weil er auf die Gunst meines Vaters spekulierte. Eine meiner Tanten bot ihm sogar richtig die Stirn. Sie erklärte ihm, er behandele seine Kinder schlimmer als seine Dienstboten, und die Dienstboten behandele er wie Tiere. Das war fast das einzige Mal, daß ich ihn überrascht gesehen habe.«
»Wow. Und was dann?«
»Dann brachte er sie um.« Sie stieß ein kurzes zorniges Lachen aus. »Oh, nicht direkt. Doch er ruinierte ihr Leben. Zerstörte das Unternehmen ihres Mannes, verbreitete in unserem ganzen Bekanntenkreis Lügen über sie. Sorgte dafür, daß ihre Kinder von der Schule gewiesen wurden. Schließlich verließ ihr Mann sie, und sie ging zum Brunnen.«
»Zum Brunnen …?«
»Sie beging Selbstmord. Doch im Grunde genommen hat er sie ermordet, mein Vater hat sie auf dem Gewissen. Wenn sie ihm
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