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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Traum fiel ein, daß er niemals Lebewohl gesagt hatte, nicht richtig. Er hatte seinem Vater die Hand gehalten, als er nach seinem Schlaganfall im Krankenhaus lag, aber falls Pete Vilmos in diesen letzten Stunden die Anwesenheit seines Sohnes und seiner Frau bewußt gewesen war, hatte er das in keiner Weise erkennen lassen.
    Theo eilte den dunkel werdenden Gang hinunter. Es kam ihm immer wichtiger vor, seinem Vater etwas davon mitzuteilen, was er in den Jahren seit dem Tod des Alten erfahren und getan hatte, ihm zu beweisen, daß das Leben lebenswert war, daß die abstumpfenden Arbeitsjahre, die Pete Vilmos durchgestanden hatte, um Essen auf den Tisch und Geschenke unter den Weihnachtsbaum zu bringen, nicht umsonst gewesen waren, aber ihm fiel nicht ein, was er sagen sollte. Es gibt nichts zu sagen, nicht wahr? Ich bin ein Niemand, genau wie er einer war. Dennoch wollte er die davonschlurfende Gestalt unbedingt einholen.
    »Papi?«
    Eine Stimme drang durch den Rauch zu ihm, weit weg und ganz dünn. »Theo? Theo, wo bist du?«
    Er wollte dem Rufer entgegengehen, aber irgend jemand hatte ihn gepackt, Hände zogen an ihm – die anderen Patienten mußten ihn zurückhalten … es sei denn, sie waren Opfer, die Verbrennungen davongetragen hatten und jetzt versuchten, an ihm vorbei die Treppe hinunterzukommen, in Sicherheit. War der Drache zurückgekehrt? Er wehrte sich kraftlos. Er hörte immer noch die Stimme seines Vaters, doch sie schien sich zu entfernen.
    »Theo, wach auf!« Das war eine andere Stimme – eine Frauenstimme. »Theo, da sucht dich jemand.«
    Er schreckte auf, in seine eigenen abgelegten Kleidungsstücke verheddert. Poppi hatte die Arme um ihn geschlungen. »Da draußen ist jemand«, sagte sie.
    Er schüttelte sich, versuchte in seiner Benommenheit, die Einzelteile zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzusetzen, doch mit wenig Erfolg. Da erscholl die Stimme wieder, und einen Moment lang meinte er, es wäre tatsächlich sein Vater oder der ruhelose Geist seines Vaters. Sein Herz setzte einen Schlag aus, und ein Schauder überlief ihn.
    »Theo? Bist du hier irgendwo?«
    »O Gott, es ist Wuschel. Das hatte ich ganz vergessen. Ich muß …« Er setzte sich auf und begann, sich die Hose anzuziehen. »Wo ist er? Warum kann ich ihn so deutlich hören?«
    »Weil er wahrscheinlich nur wenige Meter entfernt ist.« Sie war nackt und wirkte ein wenig schüchtern. Es war sehr verwirrend, neben dieser schönen unbekleideten Beinahefremden zu sitzen, während jemand nach ihm rief. Das gefilterte Sternenlicht spielte auf ihrer milchweißen Haut, als sie sich aufsetzte.
    »Warum kann er dann nicht …?« Er erinnerte sich. »Der Zauber.«
    »Tritt einfach hinaus, dann sieht er dich.« Sie versuchte zu lächeln.
    Während er sich noch hüpfend die Hose hochzog, glitt er durch die Wand des Pavillons, ohne etwas zu fühlen, bis ihn auf einmal die Kälte der Nacht anwehte. Wuschel stand nur knappe zehn Meter entfernt auf dem Deich, den Rücken zu ihm gekehrt, bis Theo seinen Namen rief.
    »Beim Hain, hast du mich erschreckt!« sagte der Querz. »Wo hast du gesteckt? Ich hatte furchtbare Angst, ich dachte, dieses Leichenmonster wäre gekommen und hätte dich geschnappt. Wir haben nur noch eine gute Stunde bis zum Morgengrauen.« Er musterte ihn kritisch. »Wieso wanderst du hier halbnackt in der Gegend herum?«
    »Das erklär ich dir später. Entschuldige meine Vergeßlichkeit. Wir sehen uns in ein paar Minuten am Zelt.«
    Wuschel Segge schüttelte den Kopf. »Dort nicht. Unten am Fluß an diesem Ende des Lagers. Wenn du kommst, wirst du verstehen, warum. Ich war deinetwegen wirklich in Sorge, habe dich überall gesucht. Bist du sicher, daß alles in Ordnung ist?«
    »Ja, prima. Tut mir leid, daß ich dir solche Umstände gemacht habe. Geh schon vor, ich komm gleich nach.«
    Der Querz warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Ist ganz bestimmt alles in Ordnung?«
    »Gewiß doch. Geh ruhig.«
    Wuschel nickte langsam, drehte sich um und marschierte über den Deich davon.
    Obwohl er nur einen Meter davon entfernt stand, dauerte es ein paar Sekunden, bis Theo den Pavillon wiedergefunden hatte: Ohne den Mondschein war die leichte Trübung der Luft, die seine Gegenwart anzeigte, schwer von den Nebelschwaden zu unterscheiden, die vom Fluß aufstiegen. Der Schritt durch die Wand fühlte sich diesmal ganz anders an, ein Übergang von der Kälte in die Wärme und zurück in den Geruch ihres Liebeslagers.
    »Du mußt gehen.« Sie hatte sich

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