Der Blumenkrieg
von dir.« Er wandte sich den Schutzleuten zu. »Erschießt ihn!«
Bevor Theo reagieren konnte, waren schon zwei der gepanzerten Männer mit ihren dunklen Schutzbrillen vorgetreten und hatten ihre Waffen in Anschlag gebracht. Das Mündungsfeuer flammte auf, und einen Augenblick lang gellte ein Heulen wie von einem Flugzeugmotor durch den Raum und schien alles wie ein Vakuumtunnel anzusaugen. Die ganze düstere Ecke des Speichers, in der Dowd sich versteckt hatte, zerstob nach allen Seiten in tausend Stücke. Ein hartes Keuchen ertönte, ein rauhes Gurgeln, und dann hörte die zwischen den Trümmern liegende Gestalt auf zu zucken und bewegte sich nicht mehr. Etwas klackerte von den Dachbalken herunter auf den Boden und rollte bis vor Theos Füße. Es war eine Hornisse – eine verschossene Kugel in der Form eines kleinen bronzenen Automaten, der noch schwach mit den Beinchen strampelte. Theo konnte nur wie betäubt darauf starren.
Er ist tot. Sie haben Dowd weggepustet. Einfach so.
»Jetzt holt die Salamander und brennt alles nieder.« Anton Nieswurz schien von dem, was gerade auf seinen Befehl hin geschehen war, völlig ungerührt zu sein; er hätte genausogut eine Leiche sein können, die mit Elektroschocks zu lebensähnlichen Bewegungen angeregt wurde, aber nicht das geringste fühlte. »Ach, und irgend jemand soll diesen Kurzlebigen in die Kutsche verfrachten. Du bist also wirklich einer von diesen Schwächlingen, den Veilchen«, sagte er und grinste Theo an. »Na, das erstaunt mich nicht sonderlich.« Er wandte sich wieder an die Wachen mit den Insektenbrillen. »Tut ihm nichts Lebensgefährliches an, aber wenn er sich wehrt, gebraucht Gewalt. Du da, warum bewegst du dich so langsam? Und nehmt den Burschen mit dem Film überm Gesicht mit. Vielleicht weiß er etwas, das uns nützen könnte.«
Vier Schutzleute packten Theo und Wuschel, während die anderen Säcke, die sie mitgebracht hatten, auf dem Boden ausleerten. Unmengen winziger rötlicher Geschöpfe mit leuchtend goldenen Augen kamen heraus. Falls es Salamander waren, bedeutete das Wort hier nicht genau dasselbe wie in der Menschenwelt: Sie hatten zwar etwas Amphibienartiges, aber sie sahen auch ein wenig wie Cartoondämonen aus, wie sie von der Mitte des Raumes aus sofort in die dunklen Winkel flitzten und dabei zum Teil schon in Flammen ausbrachen.
Rainfarn konnte sich vor Bestürzung kaum mehr halten. »Herr, du willst doch nicht im Ernst dieses Haus abbrennen, nicht wahr? Das hier angesammelte Wissen ist von unschätzbarem Wert …«
»Das hier angesammelte Wissen ist falsch.« Zum erstenmal lag echte Wut in der Stimme des jungen Nieswurz. »Ich hätte wissen müssen, daß der Beseitiger ein Mensch war – er verstand nie etwas, das ich ihm sagte, konnte keine einzige meiner Fragen beantworten. Es gefiel ihm auch nicht, wie ich meine Experimente durchführte. Ich hätte es wissen müssen!«
»Aber vieles hier stammt noch von dem ursprünglichen Beseitiger!«
Selbst als die Wachen ihm die Hände auf dem Rücken fesselten, konnte Theo nicht die Augen von dem Schauspiel abwenden. Die Fesseln waren eigentümlich naß und gummiartig, aber er achtete nicht darauf, denn er wurde jetzt von etwas anderem abgelenkt: Graf Rainfarns Gesichtszüge schienen zu schillern und beinahe zu schwimmen wie ein Ölfilm auf dem Wasser. Sein Gesicht wird von einem Zauber zusammengehalten, erkannte Theo, ähnlich den Jugendzaubern und Schönheitszaubern, von denen Poppi gesprochen hat. Er muß in der Narzissen-Residenz wirklich böse zugerichtet worden sein.
»Genug, Rainfarn. Wenn du mir vorschreiben willst, wie ich hier zu verfahren habe, wirst du mitbrennen.« In seiner Gereiztheit hörte sich Nieswurz beinahe wie ein pampiger Teenager an, doch es klang noch etwas anderes durch, etwas zutiefst Grauenerregendes. »Dieses Haus paßt mir nicht, und ich glaube nicht an das Zeug hier. Ich bin ein großer Wissenschaftler, größer noch als selbst mein Vater. Ich weiß, was wichtig ist. Ich weiß, warum meine Experimente schreien, was sie sehen, was sie fühlen. Alles andere ist ein Irrtum. Dieser Dowd war im Irrtum. Ich will das alles restlos austilgen.«
Tatsächlich züngelten bereits überall, wo die Salamanderdämonen hingekrochen waren, silberne Feuer mit der Blendkraft von brennendem Magnesium. In breiten Schwaden stiegen die Flammen an den Wänden empor und leckten an der Decke. An anderen Stellen hatte der Brand etwas von der Art seines Brennstoffs angenommen:
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