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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wiederzuerkennenden Flickwerk von zerschundenen Teilen und verheilenden Narben. Blut spritzte aus der Wunde und troff ihm über die Brust. Die Wächter, die Münder vor Schreck und Ekel verzerrt, bemühten sich nach Kräften, ihn festzuhalten, ohne besudelt zu werden.
    »Werft ihn hinein, zum Donner!« rief Fürst Nieswurz.
    Die Schutzleute gingen ein paar Schritte in die Mulde hinein und schubsten dann Rainfarn von sich weg. Er hielt sich noch ein paar taumelnde Schritte auf den Beinen, stieß eine der großen stehenden Glasscherben um und stürzte dann kopfüber in den Lichtteich.
    Theo zuckte zusammen, weil er halb mit einer Explosion rechnete, einem mächtigen Hitze- und Lichtausbruch, doch obwohl der Elf wild um sich schlagend in den leuchtenden Tiefen verschwand, deutete Sekunden später kaum noch etwas darauf hin, was geschehen war. Nur das Plasma hatte sich gerötet, so daß das Ganze jetzt wie ein Sonnenuntergangshimmel strahlte.
    »Ja«, kreischte das Schreckliche Kind, »das Blut hat die Tür geöffnet, Stiefvater!« Es reckte die Ärmchen, als wollte es hochgehoben und geherzt werden. »Schnell! Hilf mir, daß ich hindurchlangen kann!«
    Nieswurz schritt zu Theo zurück.
    Das war’s. Jetzt bin ich an der Reihe. Er sträubte sich, bis ein jäher Schmerz durch seine Wirbelsäule schoß, doch er konnte sich nicht von der Stelle rühren. Ohnmächtig dachte er daran, wie Rainfarn gestorben war, wie er den Hang hinuntergestolpert war und sein Leben verspritzt hatte. Aber wenn er nun in Wirklichkeit gar nicht gestorben war? Wenn Rainfarn dazu verdammt war, in diesem Teich aus rotem Licht ewig zu leben, ewig zu sterben? Und wenn das auch Theos Schicksal sein sollte? Er überflog mit den Augen die anderen, die dort auf der flachen Anhöhe standen, die Fürsten Stechapfel und Fingerhut, in deren Gesichtern die Furcht mit Gier und Erwartung rang, Wuschel Segge, der im Griff zweier Schutzleute hing, das Schreckliche Kind, das bereits im Entdeckerrausch schwelgte. Da erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit, obwohl er nicht hätte sagen können, warum – eine kleine Bewegung am fernen Ufer des Sees. Im ersten Moment dachte er, es könnte der Fährmann Puck sein, zumal als die menschenähnliche Gestalt die Uferböschung hinunter ins Wasser glitt, dann aber war sie fort und tauchte nicht wieder auf.
    Zu spät, was es auch war, sofern es überhaupt etwas zu bedeuten hatte. Nieswurz stand jetzt vor ihm, das bleiche Gesicht eine Maske der Gelassenheit, obwohl dahinter ein innerer Aufruhr tobte, der nur durch seine manisch lodernden Augen blitzte. Theo fühlte den Willen des Elfenfürsten wie eine körperliche Gewalt. »Jetzt bist du dran, mein junger Veilchen. Wir brauchen den Schlüssel, der die letzte Tür öffnet.«
    Theo versuchte zu sprechen und stellte fest, daß es ging, obwohl ihm jedes Wort weh tat, als würgte er eine lange Reihe stacheliger Gegenstände heraus. »Ich … weiß … nichts … von … einem … Schlüssel …«
    »Du bist der Schlüssel, du Narr. Dein leiblicher Vater weigerte sich, mir die Kontrolle über die Kräfte des Königs und der Königin zu geben, auch nicht, als wir alle geschworen hatten, sie nicht zu mißbrauchen. Die anderen unterstützten ihn, und ich war zu dem Zeitpunkt nicht stark genug, sie davon abzubringen. Uns beiden wurde die Vollmacht über diesen Ort verliehen, den Ursprungsort, so daß wir die hier eingeschlossenen Kräfte nur nutzen konnten, wenn wir, Veilchen und Nieswurz, einer Meinung waren. Aber natürlich waren wir nicht einer Meinung.«
    »Und … ich … bin … immer … noch … nicht …«
    »Das spielt keine Rolle mehr. Du bist nicht dein Vater. Du kannst dich meinem Willen nicht widersetzen, Theo Vilmos – Septimus Veilchen. Streck die Hände aus!«
    Trotz seines heftigen inneren Widerstands, obwohl er dagegen ankämpfte, bis die Muskeln in seinen Armen zuckten und sich verkrampften, sah Theo, wie seine Hände sich langsam hoben. Nieswurz ergriff sie. Das Fleisch des Elfenfürsten war kühl und trocken. Dann fing er seltsamerweise zu singen an, wenn auch unmelodisch und hastig.
     
    »Die Schlinge des Todes umschließt jetzt Füße, Hände und Kopf, bindet aber nicht das Herz!«
     
    Nieswurz’ Sprechgesang war Poesie, aber seine eintönige Vortragsweise war alles andere als poetisch. Trotzdem fühlte Theo etwas in sich aufsteigen, als würde es gerufen, eine tiefe Bewegung ohne körperliches Substrat. Wenn er der Schlüssel war, dann wurde er soeben ins

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