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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Loch gesteckt und gedreht, ähnlich wie man es bei den pannensicheren Abschußsystemen in den Atombunkern machte. Deshalb diese Art, es vorzutragen, dieser Singsang. Der Druck in Theos Kopf fühlte sich an, als tauchte er in einen viele Meilen tiefen Meeresgraben. Denn für ihn ist es keine Poesie, es ist eine Formel. Nichts weiter als Wissenschaft. Wie die Formel für eine Wasserstoffbombe …
     
    »Hier, wo die Großen Fürsten alle stehen im Rund,
    Stamm an Stamm im Bruderbund,
    Möge sich jetzt die Kraft des Urhügels, des Herrn und der Herrin der Bäume,
    Mir öffnen!
     
    Die Dunkelheit des Dazwischen blendet Auge und betäubt Ohr, verhüllt aber nicht das Herz!
    Hier, wo die Zeit selbst ausgeht, allein und durch nichts zu teilen,
    Eine Windung die nächste verschlingend, durch nichts zu beeilen,
    Möge sich jetzt die Kraft des Urhügels, des Herrn und der Herrin der Luft,
    Mir öffnen!
     
    Die Endlosigkeit der Stille versteinert jetzt jede Zunge, bannt aber nicht das Herz!
    Hier, wo der erste Vogel singt und alle Sterne aufweckt,
    Allein in der Esche, und alles zum Leben aufschreckt,
    Möge sich jetzt die Kraft des Urhügels, des Herrn und der Herrin des Lieds,
    Mir öffnen!
     
    Der Bannkreis dieses Zaubers
    Ist mein!
    Das Brechen dieses Stockes
    Ist mein!
    Das Zünden dieser Flamme
    Ist mein!
    Das Wehen dieser Wolke
    Ist mein!
    Der Bannkreis dieses Zaubers
    Ist mein!
    Der Bannkreis
    Dieses Zaubers
    Ist mein!«
     
    Der immer stärker werdende Druck in Theo verwandelte sich auf einmal in ein ganz anderes Gefühl, das Gefühl, daß sich etwas in seinem Innern losriß. So lange und so fest war dieses Etwas mit ihm verbunden gewesen, daß er es für einen Teil von sich selbst gehalten hatte. Plötzlich war das Schreckliche Kind wieder in seinem Kopf, aber nicht mehr einfach als eine bohrende und stichelnde Kraft. Jetzt begann die kalte Freude des Kindes Theos Leben und Energie abzusaugen, als ob er an einem Ende einer großen Röhre mit dem Vakuum des Weltraums am anderen Ende säße.
    Gib her! gurrte der Junge, während der Druck weiter stieg. Laß los! Du bist erledigt.
    Theo kämpfte gegen das Saugen an, doch das war nur ein nachlassender Reflex: Was immer der Schlüssel sein mochte, eine Idee oder ein Ding, er würde nicht viel länger daran festhalten können. Ihm war nicht richtig übel, und dennoch hatte er das Gefühl, sich gleich übergeben und von etwas entleeren zu müssen, das nicht mehr erwünscht war. Es war wie das Warten auf eine Geburt, aber bedrückend und hoffnungslos, als ob er bereits wüßte, daß das, was dabei zur Welt kam, tot sein würde. Schlagartig war er in Gedanken bei Cat, und dann kam er nicht wieder von ihr los, von ihrem blutleeren, völlig verzweifelten Gesicht im Krankenhaus. In gewisser Hinsicht konnte er sich kaum mehr an sie erinnern, doch ihn quälte die Vorstellung des Grauens, das hier mit seiner wenn auch unfreiwilligen Mithilfe über die Welt und die Menschen, die er kannte und sogar liebte, gebracht wurde. Johnny, Cat, ihre Freunde und Verwandten, seine Kollegen bei Khasigian, Leute, denen Theo nie begegnet war, alle wurden sie in ein endloses Zeitalter des Schreckens gestürzt, und er konnte nichts tun, um das zu verhindern. Er war nicht einmal eine handelnde Figur dabei, er war nur ein Schlüssel, ein lebloses Werkzeug, was Nieswurz und die übrigen betraf.
    Nein! Ich werde sie das nicht machen lassen! Doch es war zwecklos. Sie machten es bereits, zapften die schlafende Kraft des Königs und der Königin an, damit Nieswurz und sein Bonsaidämon eine Tür in einen unvorstellbar finsteren Raum aufstoßen konnten. Und noch während er das dachte, spürte Theo, wie der Block oder die Barriere endlich nachgab und das innere Etwas aus ihm herauszuströmen begann wie Wasser aus einem gewrungenen Tuch.
    Nieswurz nickte befriedigt, dann ließ er Theos Hände los, kehrte ihm den Rücken zu und ging davon. Seinem Schicksal überlassen sank Theo auf die Knie, während sein Leben langsam, aber stetig in seinen hämisch grinsenden Zwilling überfloß, das Schreckliche Kind.
    Das rötlich und dunkelgelb glimmende Licht war inzwischen zu einer gewaltigen Lohe aufgeflammt, aus einem Stoff allerdings, der feiner als Feuer war, doch obwohl diese Lohe nun in einer schwankenden Säule himmelwärts stieg, deren Spitze in den Wolken verschwand, war ihre Farbe zu einem changierenden Lavendelblau abgekühlt, und sie hob sich nur durch ihr Leuchten vom Abendhimmel ab. Das Schreckliche Kind

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