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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schlängelstraße mit einer anderen verwechselte, aber diesmal korrigierte er seinen Fehler viel schneller – beim erstenmal hatte er sich völlig verfahren, so daß er in seiner Not die Maklerin anrufen und sich von ihr per Handy zurück auf die richtige Straße lotsen lassen mußte, ein Vorgang, der offenbar so schwierig war wie eine telechirurgische Hirnoperation.
    Er war vor vier über der Kuppe und auf der Küstenseite der Berge, wenn auch von einem Blick auf den Ozean noch weit entfernt, als er von einer schmalen Serpentinenstraße namens Mariposa Road auf die nicht gekennzeichnete Piste mit der rissigen Asphaltdecke abbog, die als Privatzufahrt für die Hütte und zwei oder drei andere Häuser diente, die verstreut zwischen den Redwoods, Tannen und rotrindigen Manzanitas lagen. Die Sonne stand noch über den Baumwipfeln, doch am Ende der Zufahrt schob sich eine Gruppe hoher Nadelbäume davor, die die Hütte und den holperigen, völlig überwachsenen Vorgarten in Schatten tauchten und in Theo leise Zweifel an der Klugheit seiner Entscheidung weckten. Er hielt an, stieg aus und lauschte der Stille, in der das Zuklappen der Wagentür einmal trocken widerhallte.
    Genau das wolltest du doch, oder? Keinerlei Ablenkung. Einen Ort zum Nachdenken, zur inneren Sammlung.
    Der Schlüssel hing, wie die Maklerin versprochen hatte, versteckt an einem Nagel an dem wackligen Zaun, der das wildwuchernde Chaos vor der Hütte von dem wildwuchernden Chaos dahinter abtrennte – ein sinnloser Schnitt durch das Gestrüpp der Unkräuter und Gräser ringsherum, das in einer geschlossenen Decke zwischen den Bäumen weiterging und sich mehr oder weniger ununterbrochen bis zur Bergkuppe und darüber hinaus fortsetzte, vermutlich bis zum Ozean. Es war ein komisches Gefühl, vor kurzem erst die saubere, gepflegte Nachbarschaft seiner Mutter verlassen zu haben und jetzt hier zu sein, wo er keinerlei Nachbarn sehen oder hören konnte, solange sie nicht anfingen, mit Maschinengewehren in ihren Gärten herumzuballern.
    Er hatte gehört, daß es in diesen Bergen tatsächlich solche Typen geben sollte. Theo konnte nur hoffen, daß sie eher die Ausnahme als die Regel waren. Er hatte für die Fahrt vom Skyline Drive, der Hauptstraße, fast eine halbe Stunde gebraucht. Wie lange würde dann die Polizei oder der Krankenwagen bis hierher brauchen?
    Du hast es so gewollt, Mann. Er konnte beinahe Johnnys Stimme hören. Scheiße, hör auf zu jammern!
    Das Innere der Hütte hob seine Stimmung ein wenig. Sie war klein, im Grunde nur ein einziger Raum mit einem kleinen Bad und einem noch kleineren Klo, aber so nett eingerichtet, wie er es in Erinnerung hatte, dazu eine praktische Küchenecke, ein Natursteinkamin und blanke Holzdielen überall außer in dem abgesenkten, mit Teppich ausgelegten Bereich in der Mitte des Raumes. Kein Fernseher, und er bezweifelte, daß der kleine, den er aus dem Haus seiner Mutter mitgenommen hatte, mit seiner winzigen Antenne hier draußen einen tollen Empfang hätte, doch falls ihn wirklich die Verzweiflung packte, konnte er sich ja eine Satellitenschüssel besorgen. Er hatte einen Mietvertrag für ein Jahr und damit reichlich Zeit, herauszufinden, was er brauchte und was nicht – in vielerlei Hinsicht.
    Das Bett, ein mehr als kopfhohes Hochbett in einer Ecke des Raumes, war beinahe ein kleines Stockwerk für sich mit dazugehöriger Leiter, und darunter war gut Platz für ein Bücherregal und einen gemütlich aussehenden Sessel, die der Besitzer für die Zeit seiner Abwesenheit in der Hütte hatte lassen wollen. Theo hatte mit Freuden zugestimmt. Eines der großen Fenster bot einen Blick auf den dichten Wald gleich vor dem Haus und machte den Eindruck, als würde zur Tagesmitte reichlich Sonne hineinscheinen. Er sah kurz das idyllische Bild vor sich, wie er dort saß und Moby Dick oder ein anderes Buch las, das er sich schon seit Jahren einmal vornehmen wollte – wie hieß dieses Pynchonbuch, mit dem Cat ihm ständig in den Ohren gelegen hatte? Irgendwas mit einer Versteigerung? Herrje, warum nicht? Er würde auch das lesen. Zweimal die Woche hinunter ins Tal, um Lebensmittel einzukaufen, gelegentlich ein Besuch beim Buchhändler. Er wollte lesen, Gitarre spielen, vielleicht wieder damit anfangen, Songs zu schreiben, wie Johnny angeregt hatte. Lange Motorradfahrten durch die Berge unternehmen, hin und wieder hinunter zum Strand gondeln oder sogar die Küste hinauf bis San Francisco, um den Kulturtank ein bißchen

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