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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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schuldig, nicht wahr?
    Sie hat gesagt, sie hätte mich nicht richtig geliebt. Aber sollte er sich deswegen nun mies fühlen, oder sollte er nicht vielmehr stolz auf sie sein, weil sie ihr Bestes gegeben hatte, stolz auf sich selbst, weil er dennoch ein halbwegs anständiger Kerl geworden war? Keiner mit einer tollen Karriere, gewiß, aber immerhin kein Krimineller oder einer, der seine Frau verprügelte. Mama hatte getan, was sie konnte. Vielleicht sollten manche Leute einfach keine Kinder bekommen, dachte er.
    Dieser Gedanke drohte, ihn auf unangenehme Bahnen zu bringen. Er zog es vor, seinen Rucksack zu nehmen und ihn zum Auto und dem gemieteten Anhänger hinauszutragen, in den er sein Motorrad verfrachtet hatte.
    Tschüs, Haus. Ich kann nicht behaupten, daß du mir sehr fehlen wirst. Jetzt zog eine andere Familie ein – die Marshalls oder so ähnlich – und fing hier ein eigenes neues Leben an. Es hatte nichts mehr mit ihm zu tun. Sollte ihn das nicht irgendwie berühren? Andererseits, wenn er wirkliche Erinnerungen an diesen Ort gehabt hätte – und gute zumal –, dann hätte es ihn auch berührt. An den letzten Wochen seiner Mutter hatte er bestimmt ein Leben lang zu kauen. Das war noch ein hervorragender Grund gewesen, das Haus zu verkaufen, zwingender als selbst das Geld.
    Schon in dem alten Haus habe ich mich nie richtig heimisch gefühlt, dachte er. Auch nicht in dem gemeinsamen Domizil mit Cat. Was ist bloß los mit mir? Er setzte sich hinter das Steuer und begann, den Anhänger aus der Ausfahrt auf die Straße zurückzusetzen, wobei er kräftig kurbeln mußte, um nicht die Stoßstange eines Pickups mitzunehmen, den irgendein Idiot volle anderthalb Meter vom Bordstein geparkt hatte. Mrs. Kraley war an den Zaun gekommen, um ihn abfahren zu sehen, und der Sprühnebel von ihrem Schlauch zauberte neben ihrem ausdruckslosen Gesicht einen Regenbogen in die Luft. Er winkte ihr fröhlich zu, einfach aus alter Gewohnheit. Sie enttäuschte ihn nicht: keine Regung.
     

     
    A uf dem Highway 280 fuhr Theo langsam, und das nicht nur, weil er den sperrigen Anhänger an dem kleinen, schwachmotorigen Wagen seiner Mutter hängen hatte. Es war schließlich ein schöner Spätsommertag am Ende des Jahrtausends, und er hatte es satt, sich selbst ständig meckern zu hören. Er sollte viel lieber den Augenblick genießen, so gut es ging. Gewiß, es sah alles ziemlich trostlos aus, doch mit anderen Augen betrachtet konnte er auch beschließen, daß er endlich am vielbeschrienen tiefsten Punkt angekommen und nun dabei war, wieder emporzusteigen. Mit einer attraktiven, intelligenten Frau auf dem Beifahrersitz wäre er zwar eher geneigt gewesen, das zu glauben, aber wie schon Mick und Keith seinerzeit so treffend beobachtet hatten: You can’t always get what you want.
    Fünfzehn Meilen südlich von San Francisco sah er das erste Vorsicht-Wildwechsel-Schild, die schwarze Silhouette eines springenden Hirsches auf einer gelben Raute, einem mittelalterlichen Wappen ähnlich. Es gab ihm ein richtig gutes Gefühl, obwohl er von Freunden wußte, daß für die meisten Leute, die in den Santa Cruz Mountains wohnten, die Hirsche der Gegend so etwas wie große Ratten waren, die Gärten verwüsteten und frisch angelegte Rasenflächen zertrampelten. Theo war das egal. Er fand den Gedanken erregend, irgendwo zu leben, wo es freilaufende Hirsche gab, und er hatte ganz gewiß nicht vor, einen Rasen anzulegen. Er stellte das Autoradio lauter und drückte so lange Knöpfe, bis er laute Krachbummusik gefunden hatte, irgendeinen hirnrissigen Einheizer von AC/DC. Rechts von ihm krümmten sich Nebelstreifen über den Bergrücken wie weiße Klauen, Feuchtigkeit vom Ozean, die bei der Überquerung des kalten Höhenzuges verdunstete, doch über dem Freeway war der Himmel wolkenlos, und die Straße glänzte im Sonnenschein.
     
    E s war komisch, wie der Tag schrumpfte, wenn man in die Berge hinauffuhr, als ob in ihrem Herrschaftsbereich die Zeit schneller verging. Nach der Uhr auf dem Armaturenbrett des Toyotas war es erst halb vier, und es gab Straßenabschnitte, über denen der Himmel strahlend blau war, aber im Schatten der Bäume schien es beinahe schon Abend zu werden.
    Er war vorher nur einmal bei der Hütte gewesen, an dem Tag, als die Maklerin sie ihm gezeigt hatte, und die kleineren Straßen zu beiden Seiten des Skyline Drive waren häufig schlecht ausgezeichnet. Er machte genau den gleichen Fehler wie beim ersten Besuch, nämlich daß er eine

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