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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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aufzufüllen. Alles echt langsam angehen lassen. Darüber nachdenken, was er im Lauf der letzten paar Jahre verloren hatte und wo er es vielleicht wiederfinden konnte.
    Besserer Laune fing er an, Kisten aus dem Auto ins Haus zu tragen.
     
    Sie hat viele Namen, diese sagenumwobene Metropole – Avalon, Cibola, Tír na nOg, um nur ein paar zu nennen, und zweifellos noch Dutzende andere, die mir niemals zu Ohren kamen, weil ich allein den Allgemeinen Hauch sprach (die Verkehrssprache, von der ich später mehr erzählen werde), obwohl dort noch viele andere Sprachen gebräuchlich sind. Für mich selbst nannte ich sie Neu-Erewhon, nach der berühmten Utopie von Samuel Butler, aber das war bloß eine menschliche Erfindung (wie vermutlich die anderen Namen auch). Ihre Bewohner und die Leute, die in dem ungeheuer weiten Umland leben, nennen sie nur »die Stadt«, weil sie die einzige ist und das ganze Land beherrscht, wie keine irdische Stadt das je vermochte …
     
    Theo war fasziniert. Dies war das erste direkte Eingeständnis in Eamonn Dowds Geschichte, daß das mythische Land, von dem er so viel gesprochen hatte, in glühenden Farben ebenso wie in dunklen Andeutungen, nicht an irgendeinem abseitigen, aber dennoch auf Erden gelegenen Ort zu finden war wie Shangri La oder El Dorado, sondern daß es … ganz woanders war.
    Avalon. Das kommt doch in der Artussage vor, nicht wahr? Aber Artus kam erst nach seinem Tod dorthin, glaube ich. Ist demnach die Straße, mit der Onkel Eamonn es ständig hat, nur so was wie eine Metapher? Und die Letzte Pforte auch? Irgendein magischer Durchgang ins Märchenland? Hätte ich mir vermutlich gleich denken können, so wie er darüber geredet hat.
     
    Bevor ich von den Bewohnern spreche, sollte ich noch mehr von Neu-Erewhon selbst erzählen, auch wenn keine Worte – wenigstens keine Worte von mir – seine Merkwürdigkeit und Schönheit jemals angemessen wiedergeben können. Es ragt aus einem Ring dicht bewaldeter Berge empor, so daß der Wald die Stadt wie eine Burgmauer umschließt. Dieser große Wald, der trotz seiner Ausdehnung viel rascher zu umgehen als zu durchqueren ist, weil die Entfernungen im Innern so trügerisch sind, wird von einigen Ur-Arden genannt, doch ich habe auch die Namen Wildermark, Altherz und Düsterwald dafür gehört.
    Ich wußte anfangs nicht, ob die Vielfalt der Namen auf die verschiedenen Völker zurückgeht, die die Stadt und ihre Umgebung bewohnen, oder ob die Namen ursprünglich von irdischen Träumern stammen, die auf irgendeine Weise die wahren Bewohner des Landes beeinflußten. Überhaupt ist das Verfahren, das mich in die Lage versetzte, die Verkehrssprache zu sprechen, einigermaßen rätselhaft. Nachdem ich mich lange dort aufgehalten und mehr gelernt habe, als die meisten mir ursprünglich zutrauten, meine ich die Antwort zu kennen, doch ich will davon Abstand nehmen, meine Spekulationen hier auszubreiten, weil sie kompliziert und verwirrend sind.
    Die Stadt selbst ist in einer riesigen Spirale angelegt, die von der Form her an eine Nautilusschnecke erinnert, doch das hört sich einfacher an, als es ist. Die Spirale wird von vielen tausend Gassen und Seitenstraßen gekreuzt, und die langjährige planlose Bautätigkeit von vielen wie zum Beispiel den Goblins, die überall in den äußeren Ringen, vor allem in den Stadtteilen Morgenhimmel und Sonnenaufgang, ihre primitiven Häuser und Geschäfte einfach wie Termitennester an die Mauern älterer und schönerer Bauwerke geklebt und damit ein Gewirr winziger Gäßchen und Einbahnstraßen geschaffen haben, verhindert schon seit langem, daß man auf der Spirale von der äußersten Windung ohne Unterbrechung bis ins innerste Zentrum gelangen kann, das für einen wie mich allerdings ohnehin verboten war. Doch die Form übt nach wie vor einen Einfluß aus: Die normalsten Stadtteile (jedenfalls diejenigen, die für meine irdischen Augen am vertrautesten aussahen) liegen in den Randbezirken. Näher dem Zentrum erzeugen nicht nur Wohlstand und Macht in zunehmendem Maße eine ganz eigene aufgeladene Atmosphäre, sondern findet auch eine subtile Veränderung statt, die den Eindruck erweckt, daß jeder Schritt auf das Herz der Metropole zu zugleich ein Schritt in ein nicht genau zu definierendes Milieu ist, wo so etwas wie ein magischer Druck herrscht, um es einmal vereinfachend zu sagen. In den innersten Bezirken sind die Familien reich und wahnsinnig, doch nicht einmal das erklärt die Explosivität dort. Und im

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