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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ein für allemal, daß die Wissenschaft reine Spiegelfechterei ist und unsere sogenannten »gesicherten Erkenntnisse« eine Ansammlung von Ausflüchten und Halbwahrheiten sind. Auch wenn ich bei diesem atemberaubenden Anblick noch nicht ahnte, was mit mir geschehen würde (eine Unwissenheit, die vielleicht ein gnädiges Geschenk der Götter oder des Schicksals war), verstand ich doch, daß mein Leben sich damit vollkommen verändert hatte und daß die Erfahrungen, nach denen ich in so vielen entlegenen Winkeln der Erde und unter so vielen merkwürdigen Leuten und Bedingungen so eifrig gestrebt hatte, nur ein flüchtiges, schattenhaftes Vorspiel zu diesem Augenblick gewesen waren …
     
    E s war eine gute Stelle, um eine Pause einzulegen, fand er. Theo schlug das Buch in ein Handtuch ein und steckte es vorsichtig in seinen Rucksack, denn er wollte es lieber im Auto mitnehmen als riskieren, daß es in einer Kiste mit seinen übrigen Sachen zerdrückt wurde. Von den wenigen Habseligkeiten, die er mit in die Hütte umzog, war es das einzige, was sich nicht ersetzen ließ.
    Je unwahrscheinlicher die Geschichte seines Großonkels geworden war, um so mehr war sie um ihrer spannenden Darstellung willen in Theos Achtung gestiegen. Gut, man konnte das Opus nicht als großes literarisches Werk bezeichnen, nicht einmal als ein besonders gutes, denn zum einen war der Stil leicht schwülstig, stark beeinflußt von der Trivialliteratur, die Eamonn Dowd in seiner Jugend gelesen hatte, und zum anderen wirkte es viel weniger wie ein Roman als wie ein Reisebericht, in dem irgendwelche Belanglosigkeiten oft genausoviel Gewicht und Platz bekamen wie viel bedeutsamere Ereignisse; dennoch mußte er zugeben, daß es auf seine Art ein ganz ordentliches Buch war. Trotz der vorsätzlichen Verschleierungen (für Theos Geschmack völlig blödsinnige Wendungen wie »darüber möchte ich nicht mehr sagen«), die wahrscheinlich von zuviel Lovecraft oder so jemandem kamen, war die unermüdliche Suche des Helden nach einer Möglichkeit, in die mysteriöse, magische Stadt zu gelangen, überaus fesselnd gewesen. Theo war gespannt, ob sich das ganze Brimborium um die Märchenstadt jetzt, wo der Held im Besitz des erforderlichen Geheimwissens den Weg dorthin gefunden hatte, als gerechtfertigt erweisen würde. Anders gefragt: War Großonkel Eamonn ein richtiger Schriftsteller oder bloß ein Dilettant, der seine eigenen interessanten, aber durchaus profanen Erinnerungen mit Sachen aufpeppte, die er aus den Weird Tales und ähnlichen Blättern gestohlen hatte?
    Da Theo mittlerweile von dem Verkauf des Hauses seiner Mutter ungefähr zweihunderttausend Dollar auf der Bank liegen hatte – auf einer beruhigend normalen Bank an einer Hauptstraße, die reichlich Schalter drinnen und Geldautomaten draußen und auch sonst keine Ähnlichkeit mit Eamonn Dowds bevorzugtem Finanzinstitut hatte –, konnte er es sich ohne weiteres leisten, nicht nur das Buch in aller Ruhe zu Ende zu lesen, sondern auch mit dem Gedanken an eine Veröffentlichung zu spielen. Selbst in einer so kostspieligen Wohngegend wie der Bay Area würden ihn zweihunderttausend Dollar ein paar Jahre über Wasser halten. Alternativ dazu konnte er das Geld vermutlich auch als Anzahlung für ein eigenes Haus benutzen, doch dann bräuchte er darüber hinaus ein festes Einkommen, um ein Darlehen zu bekommen, denn wenn er erst einmal die Hypothek seiner Mutter und andere Schulden abbezahlt hatte, konnte er sich von dem restlichen Geld in Fahrdistanz von der Innenstadt nichts Größeres kaufen als ein Pfadfinderzelt. Nein, lieber etwas mieten und wenigstens eine Zeitlang von den Zinsen leben, bis er sich darüber klargeworden war, wie er sein verfahrenes Leben vom Nebengleis zurück auf die Hauptstrecke brachte.
    Warum nicht den bescheidenen Wohlstand dafür nutzen, das Buch seines Großonkels zu veröffentlichen? Unwahrscheinlich, daß ein richtiger Verlag es nehmen würde, aber mit zirka tausend Dollar konnte man bestimmt eine selbstfinanzierte kleine Auflage herausbringen. Er konnte sie sogar seiner Mutter widmen und den Büchereien in der Gegend ein paar Exemplare stiften. Das würde zwar Anna Vilmos nicht gerade zu einer Berühmtheit machen, aber es wäre immerhin etwas.
    Er sah sich zum letztenmal in ihrem ordentlichen, unpersönlichen Wohnzimmer um – ihr eigentliches Vermächtnis, und das ging jetzt in die Hände eines jungen Paares über, das sie gar nicht gekannt hatte. Er war ihr etwas

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