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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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härteren Arbeiten, die sein Vater ihm aufgetragen hatte, so daß der kleine Junge von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang kaum jemals Ruhe hatte. So lebten die drei denn in dem Haus zusammen, der Alte, sein Sohn und der Junge, der der Enkel des alten Mannes war.
    Irgendwann entdeckte der Junge, daß in einem Loch unweit des Hauses, ähem, ein Goblin lebte, und weil er für die Welt noch nicht erkaltet war wie sein Vater und sein Großvater, teilte er seine wenigen Speisen mit dem Goblin, indem er häufig einen Brotkanten oder eine gekochte Wurzel vor dem Loch liegenließ. Eines Tages kam er zurück und sah, daß der Goblin ihm eine Gegengabe hingelegt hatte: eine Art Spielzeug, einen Vogel ganz aus Gold.
    Als er seinem Vater und seinem Großvater diesen Vogel zeigte, verzehrten sich beide vor Habgier. Der Großvater erklärte, der Vogel gehöre ihm, da der Goblin auf seinem Grund und Boden lebe. Der jüngere Mann erklärte genauso entschieden, da sein Sohn den Goblin dazu gebracht habe – dazu überlistet, wie er meinte –, Brotkanten mit Gold zu vergelten, gehöre der Vogel ihm. Sie stritten und stritten, bis der Jüngere im Zorn seinen eigenen greisen Vater tötete. Dann erzählte er dem kleinen Jungen, sein Großvater sei fortgegangen, sie müßten jetzt noch härter arbeiten, und schickte das Kind ins Bett.
    Er hatte beschlossen, dem Goblin noch mehr Gold zu entlocken, und so stahl er sich im Licht des Mondes mit einem Sack Leinsamen zum Goblinloch, streute eine Handvoll Samen darum aus und legte damit eine Spur bis zum Haus, wo er die restlichen Samen auf dem Fußboden ausleerte. Er wußte nämlich, daß der Goblin nach den bindenden Gesetzen des Seins nicht anders konnte, als sie alle, ähem, zu zählen, und weil er das vor dem Aufgang der Sonne unmöglich schaffen konnte, würde er dann an das Haus gefesselt und gezwungen sein, dem Befehl des Mannes zu gehorchen.
    Er versteckte sich und sah den Goblin vorbeigehen und die Leinsamen zählen, die Nase dicht am Boden, die Augen zusammengekniffen. Er wartete draußen, bis das Licht der Morgenröte im Bauch des Himmels erglänzte, dann ging er hinein.
    Er traf den Jungen und den Goblin an, wie sie zusammen auf dem Läufer vor dem Kamin saßen und Betonientee tranken.
    Später verkaufte der kleine Junge das Haus. Mit dem Geld, das er dafür bekam, konnte er ein reicher Kaufmann werden und mußte keinen seiner beiden goldenen Vögel verkaufen.«
    Der Goblin, dessen Stimme ganz singsangartig geworden war, brach unvermittelt ab. Er blinzelte langsam, einmal, zweimal, als erwachte er aus einem Traum. »Damit ist meine Geschichte zu Ende«, sagte er.
    Ein paar der Gäste an den anderen Tischen begannen zu flüstern. Eine Frau lachte. Martha merkte, daß auch sie trotz ihrer Nervosität in eine Art Halbschlaf gesunken war.
    »Was ist denn das für ein Blödsinn?« Leicht taumelnd rappelte sich Orian Stechapfel von seinem Stuhl auf. Er baute sich drohend vor dem Goblin auf. »Soll dieser … dieser Mist etwa eine Geschichte gewesen sein? Sie hat überhaupt keinen Sinn!«
    Überraschenderweise erschien im Gesicht des Goblins ein breites, spitzzähniges Grinsen. »Unter den Umständen schien es mir eine überaus sinnvolle Geschichte zu sein, Junker.«
    »Wieso saßen die beiden einfach da und tranken Tee? Was ist mit den Leinsamen passiert, die der Goblin zählen sollte?«
    »Der Junge war in der Nacht heruntergekommen und hatte die auf dem Boden verstreuten Samen gefunden. Da er Angst hatte, sein Vater und sein Großvater würden ihn wegen der Unordnung schimpfen, fegte er sie alle auf.«
    »Aber …« Der junge Stechapfel blickte ungehalten. Dadurch wirkte sein Gesicht viel weniger einnehmend und weitaus unreifer. »Was sollte dieser Quatsch am Ende – der Junge verkaufte das Haus? Wo war sein Vater? Und du hast von zwei goldenen Vögeln gesprochen, es gab aber nur einen!« Er faßte den Goblin an der Schulter.
    »So gehen Goblingeschichten«, erklärte Knopf unbeirrt, obwohl er im Griff des anderen wankte. »Kannst du dir wirklich nicht denken, was mit dem Vater des Jungen geschah, nachdem er versucht hatte, den Goblin hereinzulegen, und gescheitert war? Kannst du dir nicht vorstellen, woher der zweite goldene Vogel kam?«
    Die Frau, die vorher gelacht hatte, lachte wieder, und diesmal stimmten ein paar andere ein, darunter auch der Tisch der älteren Blumenedlen. Orian Stechapfel drehte sich um und funkelte sie an, dann packte er den Goblin an beiden Schultern und

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